autobahnuniversität / Gerhard Roth - Die Konstruktivität des Gehirns

Die Hirnforschung hat in den vergangenen drei Jahrzehnten viele Debatten angestoßen und dominiert und selbst dabei eine enorme Entwicklung durchgemacht. Das alles hat auch die Bilder, die Menschen sich von sich machen, teils radikal durcheinandergebracht. Über populäre Bücher und andere Veröffentlichungen sind Sichtweisen aus der Hirnforschung auch in viele Alltagskonzepte eingezogen.


Auch für die weitere Resonanz konstruktivistischer Ansätze zu Fragen von Erkennen, Fühlen, Wissen und Handeln haben so prominente Neurowissenschaftler wie Gerhard Roth und der inzwischen leider verstorbene Erfinder des Autopoiese-Konzepts Humberto R. Maturana entscheidend beigetragen. Gerhard Roth im Gespräch mit Matthias Eckoldt: „Klar ist aber, dass das Hirn die Welt nicht so wahrnimmt, wie sie ist, sondern so, wie sie für das Überleben des Organismus relevant ist.“


Diese Konstruktivität des Gehirns ist Thema eines eloquenten, informativen und spannenden Vortrags, den Gerhard Roth in den 1990er Jahren bei einem der großen Konstruktivismus-Kongresse in Heidelberg gehalten hat und den die Autobahnuniversität dokumentierte. Hier werden empirische und konzeptionelle Grundlagen erläutert, die nach wie vor als gültig angesehen werden können.


Ausgehend von dem Befund, dass das Gehirn keinen eigenen Kontakt zu Umweltereignissen hat, sondern auf von sich her schon äußerst selektierte Datenlieferungen von Rezeptoren angewiesen ist, die allein das Gehirn „verstehen“ und dann verarbeiten kann, entwickelt Roth hier sein Verständnis des parallel-konvergent-divergenten Systems der Informationsverarbeitung, das erklären kann, wieso Gehirne (und ihre Benutzer) so erfolgreich in der Welt operieren können, obwohl sie dabei auf sich selbst angewiesen sind.


Konvergenz, Divergenz und Parallelität neuronaler Prozesse erzeugen ein wiederum hochgradig divergentes, sich selbst steuerndes und permanent auf sich selbst reagierendes System. In diesem Vortrag werden Hirnforschung, ihre methodischen Herausforderungen und Möglichkeiten sowie ihr Potenzial in verständlicher und beeindruckender Weise zu Gehör gebracht.


Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth studierte Philosophie, Germanistik und Musikwissenschaft in Münster und Rom sowie Biologie in Münster und Berkeley/Kalifornien. Seit 1976 war er Professor für Verhaltensphysiologie an der Universität Bremen und bis 2008 Direktor am dortigen Institut für Hirnforschung; 1997 – 2008 Gründungsrektor des Hanse-Wissenschaftskollegs in Delmenhorst. Er ist Geschäftsführer der „Roth GmbH – Applied Neuroscience“ mit Sitz in Bremen. Gerhard Roth veröffentlichte rund zweihundert Arbeiten auf den Gebieten kognitive Neurowissenschaften, Persönlichkeitsforschung und Neurophilosophie, darunter viele Bücher. Seine Forschungsschwerpunkte sind neurobiologische Grundlagen psychischer Funktionen, psychosoziale und neurobiologische Grundlagen gewalttätigen Verhaltens bei jugendlichen Intensivstraftätern sowie psychologische und neurobiologische Grundlagen des Lehrens und Lernens.



Beim Mund-Nasen-Schutz bleiben die Ohren frei! Also: Ob im Auto oder mit der Maske in der großen weiten Welt: Kopfhörer auf und Autobahnuniversität hören! Jeder Stau bringt Sie weiter. Und, wo es geht, die freien Augen und den freien Geist nutzen: Carl-Auer Bücher lesen!