Lena Baunacke zu Carl-Auer Kids

Seit drei Jahren ist Lena Baunacke Projektleiterin von Carl-Auer Kids, dem Kinder- und Bilderbuchprogramm des Carl-Auer Verlages. Carl-Auer Kids hat sich zu einem festen und erfolgreichen Programmsegment im Carl-Auer Verlag entwickelt, und es wächst stetig. Herausgeberin der Buchreihe ist Christel Rech-Simon.


Im Gespräch mit Matthias Ohler gibt Lena Baunacke Einblicke in Profil, Programmauswahl und in wunderbare Feedbacks zu Carl-Auer Kids.


Ohler  Liebe Lena Baunacke, ich danke dir sehr herzlich, dass du dir die Zeit nimmst ein Gespräch für unser Carl-Auer Magazin zu führen. Du bist Projektleiterin für den Programmbereich Carl-Auer Kids. Und das, darf ich jetzt ganz persönlich sagen, Gott sei Dank. Carl-Auer Kids, das sind die Kinderbücher respektive Bilderbücher im Carl-Auer Verlag, und das Programm entwickelt sich ja sehr gut weiter und findet immer neue interessierte Menschen. An welche Zielgruppen richtet sich Carl-Auer Kids?


Baunacke Natürlich haben wir alle erstmal den Wunsch, so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Am liebsten alle Menschen. Aber man kann sagen, dass sich unser Programm an Menschen richtet, die ein besonderes Interesse für kluge und witzige Geschichten haben. Aber eben auch hilfreiche. Hilfreich im Sinne von Fragen aller Art, die sich Kinder beim Großwerden eben stellen.


Ohler Zum Beispiel?


Baunacke Ja, da haben wir einiges im Angebot. Ein Buch das zum Beispiel sehr gut läuft und sehr nachgefragt ist: Der Glücksverkäufer. Glück ist ja jetzt erst mal so ein ganz weites Feld, und philosophisch angehaucht. Aber es ist eben was, womit sich ja auch Kinder schon befassen. Was macht mich glücklich? Was ist eigentlich so los in der Welt? Was ist gibt es da für Möglichkeiten? Und wir geben hier Ansätze. Wir geben Ideen. Und gerade beim Glücksverkäufer ist es so, dass man es einfach genießen kann. Die Illustrationen, die Geschichte. Und wenn man möchte, kann man dabei auch ganz vertieft drauf eingehen: Was bedeutet Glück, für jeden von uns selbst? Was bedeutet Glück in der Gesellschaft? Wir erfahren hier eine große Nachfrage, auch von Schulen beispielsweise, die dann mit den Büchern arbeiten, was uns sehr freut.


Ohler Du hast ein schönes Beispiel gewählt mit dem Glücksverkäufer, wirklich eine tolle Geschichte und fantastische Illustrationen. Carl-Auer Kids hat, vor einigen Jahren schon, mit einigen Büchern angefangen, und inzwischen kommen dank deiner Expertise und deinem Engagement zwölf Bücher bei Carl-Auer Kids im Jahr raus. Eins besser als das andere, sage ich jetzt mal pro domo. Aber was sind nun eigentlich die wichtigsten Kriterien dafür, dass du dann sagen würdest: Okay, das hier ist definitiv was für Carl-Auer Kids.


Baunacke Ich wähle unser Programm ja zusammen mit unserer Herausgeberin, Frau Christel Rech-Simon, aus. Und es ist so, dass wir da ein paar Grundpfeiler und einen gewissen Anspruch haben. Ich glaube, zunächst ist es einfach mal die Frage nach sehr besonderen und ausgefallenen Illustrationen, die auch einen künstlerischen Anspruch mitbringen. Das sieht man sehr schnell, wenn man unsere Bücher durchblättert. Der andere Aspekt ist inhaltlich Wir wollen schlaue Geschichten machen für starke Kinder, aber eben auch für eine offene Gesellschaft. Und ich denke, ein guter Überbegriff ist Diversität. Nicht nur in den Geschichten, sondern auch in den Illustrationen, die wir haben. Das sind die beiden Grundpfeiler, unter denen man das, glaube ich, sehr gut zusammenfassen kann.


Ohler Was zeichnet dann Carl-Auer Kids bisher ganz besonders aus? Über das hinaus, was du jetzt genannt hast, könnte man hier sagen: Carl-Auer Kids zeichnet aus, dass ...


Baunacke Also wichtig ist uns immer, dass Bücher einfach auf verschiedenen Ebenen funktionieren. Das eine ist, dass die Leute einfach Spaß haben sollen. Sie sollen in die Geschichten eintauchen. Das können Abenteuergeschichten sein, wie zum Beispiel Der verlorene Schnurrbart. Das können auch Geschichten sein, die vielleicht auch eher mal abends vorgelesen werden, zum Einschlafen, wie Der kleine Hamster will nicht mehr hamstern. Aber es ist so, dass alle diese Bücher auch immer eine versteckte Botschaft haben. Und wichtig ist dabei, dass wir keine Lehrbücher machen wollen, in denen wir Leuten etwas vorgeben, sondern, dass wir Fragen anregen und Themen, die uns interessieren, wie zum Beispiel beim Hamster. Da war es das große Thema teilen zu Zeiten von Corona. Wie gehen wir da eigentlich alle miteinander um? Man kann das Buch auf vielen Ebenen lesen, nämlich einfach als Abenteuergeschichte oder Tiergeschichte: Kleiner Hamster in Not. Wie helfen sie sich gegenseitig? Aber es bietet darüber hinaus Gesprächsstoff, mit den Kindern über das Thema zu reden. Es geht darum, Themen für Kinder anschaulich zu machen, verständlich zu machen. Und das ist das Besondere; das zeichnet wirklich jedes unserer Bücher aus, dass man es auf ganz vielen verschiedenen Ebenen lesen und benutzen kann ...


Ohler ... und betrachten, mit den Illustrationen. Und man soll vielleicht den Kindern nicht was überstülpen, sondern sie wirklich ernst nehmen. Bei allem Spaß.


Baunacke Also ernst nehmen ist, glaube ich, sowieso eine Grundvoraussetzung, wenn es um Kinder und deren Bedürfnisse geht, aber eben auch um Ängste natürlich; deren Fragen ernst zu nehmen. Also wenn ich jetzt darüber nachdenke, was wir gerade aktuell für eine Situation haben, das ist ja auch so was:Kriegsthemen, sind Themen, die Kinder mitbekommen, auch wenn sie klein sind. Sie bekommen Nachrichtenfetzen mit, die vielleicht Ängste und Fragen auslösen. Und dann geht es ja auch darum: Wie geht man damit um? Und unsere Geschichten sollen auch einen Anlass bieten, Kindern eine Hilfestellung zu bieten. Beispielsweise unser Hey, kleiner Kämpfer! oder Hey, du bist großartig! Unsere Bücher von Karen Young zielen genau darauf ab; sie erklären einfach mal: Hey, was ist eigentlich Angst? Was kann ich dagegen tun? Oder auch zum Thema Flucht oder Migration: Es ist Platz für alle. Wir haben Das Krokodil sucht eine neue Heimat. Da ist ein Krokodil auf der Flucht, wird nirgends angenommen und muss aber irgendwo Unterschlupf finden, und es landet am Ende bei kleinen Mäusen. Und es gibt auch Bücher, die so gelesen werden können, dass man einfach die Geschichte verfolgt. Es ist sehr kindgerecht gemacht. Also wir haben auch schwere Themen, aber immer sehr kindgerecht gemacht. Wir haben auch schwere Themen, aber immer sehr kindgerecht gemacht. Und man kann es nutzen, Kindern Dinge zu erklären und sie stark zu machen, gegen ihre Ängste zu wirken. Gerade im Moment ja wieder ein sehr, sehr aktuelles Thema leider.


Ohler Leider ja, das kann man wohl sagen. Das wollte ich tatsächlich auch thematisieren. Gerade sind es Bücher wie Das Krokodil sucht eine neue Heimat und Es ist Platz für alle, die eine bedrückende Aktualität haben, aber gleichzeitig auch eine Chance sind. Zwei Fragen in einer: Was kann man damit machen, wenn man mit Kindern umgeht? Und gibt es vielleicht auch eine Möglichkeit – wir hatten es ja schon mal, wenn ich mich richtig erinnere, im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe – dass man auch Unterstützung von unserer Seite bieten kann? Wohin kann man sich da wenden?


Baunacke Also grundsätzlich ist es so, dass wir, wie eben schon angesprochen, einige Bücher haben, die sich eben genau mit diesem Thema befassen, die vielleicht ganz konkret das Thema Angst aufgreifen. Wir haben ein kleines Kontingent, das wir da auch zur Verfügung stellen können für interessierte Personen, die sich vielleicht jetzt nicht leisten können, gerade diese Bücher zu kaufen. Sie können sehr gerne, wenn sie zm Beispiel einer Hilfsorganisation angehören, einfach mir persönlich auch eine E-Mail schreiben, den Kontakt findet man über unsere Webseite, und wir versuchen da gerne einen kleinen möglichen Beitrag zu leisten und diese Bücher zu verschicken. Ist ein ganz kleiner Beitrag, aber es freut uns, wenn wir den auch leisten können.


Ohler Alle zu finden unter Carl-Auer Kids oder direkt bei Lena Baunacke. – Okay, ein Blick in die Welt der Projektleiterin. Wie muss man sich den Alltag vorstellen? Das ist sicher komplex. Ich kriege das teilweise mit, aber sicher nicht alles.


Baunacke Das ist ein sehr vielseitiges Feld. Es ist so, dass ich ja von Anfang bis Ende im Grunde dabei bin. Das heißt, es geht darum, das Programm auszuwählen, Bücher auszuwählen, ganz viele Kontakte mit den Verlagen zu knüpfen. Wir machen viele Lizenzen, wir veröffentlichen oft Bücher, die schon im Ausland erschienen sind. Da haben wir über die Jahre ganz tolle Kontakte aufgebaut mit Verlagen in Australien, in London, in Kanada, also überall auf der Welt, was die Arbeit auch sehr international macht und was mir persönlich besonders Spaß macht. Natürlich findet viel auf Englisch statt, und dann geht es ja auch darum, wie wir das denn in schöne deutsche Texte verpackt kriegen. Da habe ich das Glück, selbst zum Teil übersetzen zu können. Und dann geht es darum, wirklich an den Texten zu arbeiten. Dass wir diese Botschaft, von der ich vorhin schon gesprochen haben, dass wir die gut rüberbringen. Das ist so der eine Teil. Und dann geht es ja auch noch ganz konkret darum: Wie kriegen wir dann am Ende das fertige Buch auf den Tisch? Und da geht es um die Produktion. Da wird viel gesprochen mit den verschiedenen Druckereien. Wir legen Wert darauf, dass wir nur innerhalb der EU produzieren. Das bedeutet, wir produzieren die meisten Bücher in Deutschland, oder aktuell auch in Polen, um da eben auch einen kleinen Umweltbeitrag zu leisten. Wir lassen die Bücher nicht einfliegen von China oder irgendwo her. Und da geht es um eine Papierauswahl, um ein Format, bis am Ende die fertigen Bücher angeliefert werden. Was natürlich ein eine ganz tolle Belohnung für mich, für meinen Job am Ende ist, weil ich ein fertiges Produkt habe, wo ich wirklich sehe: Hier habe ich meine ganze Arbeit reingesteckt. Ist natürlich etwas ganz anderes als die vielen E-Mails, die wir alle kennen, die wir täglich abarbeiten. Es ist ganz toll, am Ende wirklich ein fertiges Produkt in Händen halten zu können ...


Ohler ... und dann auch zum Großteil wirklich sehr interessante und schöne Feedbacks zu kriegen, und Unterstützung zu kriegen von Leuten, die dann sagen: Hast du gut gemacht, wieder mal ein tolles Kinderbuch bei Carl-Auer Kids. Du kriegst sicher eine Fülle von Feedbacks aus allen möglichen Kontexten, von Profis, die rezensieren, von begeisterten Leserinnen und Lesern, vielleicht auch von Kindern. Würdest du mal ein paar Feedbacks sagen? Also zum Beispiel auch von Autorinnen und Autoren oder von Illustratorinnen oder Kundinnen, wo du sagst: Das freut mich jetzt besonders.


Baunacke Oh ja. Da sind wir natürlich jetzt auch in den letzten Jahren sehr gewachsen, und das ist einfach ganz toll, zu sehen, wie gut es angenommen wird. Das ist am Anfang ja auch immer mal so ein Test, wo man hofft: Okay, das ist unsere Idee. Aber kommt die auch an? Und es ist wunderbar zu sehen,dass sie eben sehr gut ankommt. Wir hatten jetzt gerade ganz aktuell den Fall, dass sogar die Druckerei uns eine Rückmeldung gegeben und gesagt hat, sie können sich nicht erinnern, wann sie zuletzt ein so schön illustriertes Buch produziert haben. Das freut einen natürlich ganz besonders. Oder das, was ich vorhin schon angesprochen habe, dass wir viele Anfragen bekommen, auch von Bibliotheken, die Lesungen machen, mit den Kindern, die über die Themen sprechen, von Schulen, die sagen, sie wollen das gerne als Unterrichtsmaterial nutzen. Da haben wir viele Bücher, die dafür angefragt werden. Das sind einfach Sachen, die mich freuen, weil man da sieht, dass unsere Intention Erfolg hat und dass diese Bücher zur Anwendung kommen und das tun, was sie sollen, nämlich starke Kinder hervorbringen und Kinder mutig machen und offen für die Gesellschaft.


Ohler Das ist so ein schöner Schlusssatz. Ehrlich gesagt, ich würde jetzt fast die Carl-Auer Frage nicht stellen, oder?


Baunacke Kannst du stellen, aber es ist ein schöner Abschluss. Stell die Frage zuerst mal ...


Ohler ... genau dann habe ich mir diese Erlaubnis geholt. Also gab es etwas, von dem du vielleicht gedacht hast, es wird bestimmt thematisiert, oder es ist jetzt nebenher eingefallen und du sagst, das sei aber liegengeblieben und da würde ich schon gerne was dazu sagen. Sollte das der Fall sein, dann sprechen Sie bitte jetzt ...


Baunacke Ich kann es vielleicht einfach dem, was ich gerade gesagt habe, noch anschließen – mit dem Erfolg, den wir sehen, und mit der Freude darüber, wie gut diese Kinderbücher angenommen werden. Ganz persönlich sind es für mich zwei Sachen, die mich sehr motivieren, diese Arbeit zu tun. Wir haben eine extrem schnelle digitale Welt, und es ist so, dass ich das noch aus meiner Kindheit kenne: Die Bindung, abends eine Geschichte vorgelesen zu bekommen, ein Buch in Händen zu halten, das Papier zu riechen. Und das sind Sachen, die bleiben wirklich ein Leben lang. Das finde ich ganz toll, auf diesem Weg etwas zurückzugeben. Ich bin vehement dagegen, alles zu digitalisieren. Ich finde es toll, dass wir die Bücher weiterhin einfach drucken und dass die Leute sie in Händen halten können. Das ist einfach eine Besonderheit, die auch zur Entschleunigung führt. Sich in Ruhe hinsetzen und ein Buch lesen. Wir Erwachsenen kennen das, wann machen wir das schon mal wirklich. Und das andere sind die Ansprüche oder auch Werte, die ich vorhin erwähnt habe, unter diesem Oberbegriff der Diversität. Dass ich mir einfach wünschen würde, dass Diversität die neue Normalität wird und sich das einfach wirklich überall etabliert. Und ich freue mich sehr darüber, dass wir bei Carl-Auer Kids einen vielleicht auch gar nicht mehr so kleinen Beitrag dazu leisten können.


Ohler Jetzt bin ich sehr froh, dass du dich auf diese Frage noch eingelassen hast. Lena Baunacke, vielen Dank für deine Zeit und für deine unglaublich wertvolle Arbeit. Danke schön und alles Gute.


Baunacke Danke schön, ja, auch dir!