Triade

engl. triad, franz. triade f, griech. triás = »Dreiheit«; als »Triade« wird in der Familienpsychologie das Beziehungssystem (System) zwischen drei Personen bezeichnet. Dazu gehören die erste Triade im Leben aus Vater, Mutter und Kind, aber auch andere familiäre Beziehungen oder Beziehungen zwischen drei Personen.


Nach der Triadentheorie von Heider (1958) führen positive Beziehungen zwischen Dyaden in einem Dreieck zu einem gut funktionierenden Beziehungsgefüge. Es gibt jedoch auch Konstellationen, die von Familientherapeuten (Therapie) als dysfunktional angesehen werden: Bei der Konfliktumleitung tragen zwei Personen ihren Streit auf dem Rücken eines Dritten aus, statt die eigenen Meinungsverschiedenheiten zu klären. Bei der »Triangulation« konkurrieren zwei Personen offen oder verdeckt um eine dritte. In Familien ist diese Konstellation häufig bei Kindern nach Scheidungen anzutreffen. Auch Koalitionen, z. B. über Generationsgrenzen hinweg, gelten als dysfunktional, etwa wenn eine Großmutter das Enkelkind zu sehr an sich bindet und der Mutter damit in den Rücken fällt.


Säuglinge zeigen schon ab etwa dem dritten Lebensmonat triadische Fähigkeiten (von Klitzing 1998). Diese Fähigkeiten werden beobachtbar, wenn das Kind gleichzeitig mit beiden Eltern (Elternschaft) Kontakt aufnimmt und seine Affekte mit ihnen teilt. So kann es etwa im Kontakt mit dem Vater Freude zeigen und dann für einen Moment zur Mutter schauen und auch mit ihr die Freude teilen, um dann wieder zum Spiel mit dem Vater zurückzukehren. Wenn Vater und Mutter darauf reagieren und die Freude spiegeln, findet eine Zirkularität der Affekte statt, eine für die emotionale Entwicklung des Kindes bedeutsame Erfahrung (Fivaz-Depeursinge u. Corboz-Warnery 2001). Die in der psychoanalytischen Tradition vertretene Annahme, dass der Säugling nur zu einer einzigen Bezugsperson eine Bindung herstellen könne (vgl. Schon 1995), wird durch Beobachtungen dieser Art infrage gestellt. Während die älteren psychoanalytischen Konzepte (Abelin 1971) die triangulären Fähigkeiten später im Leben verorteten und sie den ödipalen Konstellationen voranstellten, weist etwa Buchholz (1990) darauf hin, dass das Kind nicht erst mit der Geburt in die Triade eintritt. Bereits in der späteren Schwangerschaft wird es zum Fantasieträger elterlicher Projektionen und Konflikte.


Bei der Beobachtung der Triade werden funktionale Dynamiken und dysfunktionale Dynamiken sichtbar. In einem funktionalen triadischen System bilden die einzelnen Teilnehmer einen sich gegenseitig einbeziehenden und akzeptierenden Rahmen. Diese Partner beziehen sich in positiven und negativen Stimmungen aufeinander und schließen sich nicht selbst oder gegenseitig aus dem familiären Interaktionsgefüge aus. Wenn dies nicht gelingt, können Konflikte der Eltern über das Kind umgelenkt oder Koalitionen gebildet werden, in denen sich ein Elternteil mit dem Kind verbündet oder sich beide Eltern gegen das Kind zusammenschließen (vgl. Fivaz-Depeursinge et al. 2009; Minuchin 1976). Dafür, dass man diese Mechanismen innerhalb der Familien beobachten und – noch wichtiger – den Familien auch rückmelden kann, bieten sich standardisierte Videoverfahren an, die so organisiert sind, dass die für die jeweilige Familie typischen Dynamiken im Dreier-Zusammenspiel angeregt werden. Eine dieser Methoden, die an der Schnittstelle von Forschung und psychotherapeutischer Intervention entwickelt wurde, ist das Lausanner Trilogspiel (LTP). Es ist unseres Wissens die einzige zurzeit verfügbare Methode für eine differenzierte und standardisierte triadische Diagnostik in der frühen Kindheit. Das LTP beinhaltet eine semistrukturierte standardisierte Situation, die per Kamera aufgezeichnet und mit einem Manual zur Erfassung der Funktionalität der Interaktion ausgewertet werden kann (Fivaz-Depeursinge u. Corboz-Warnery 2001).


Es ist folgendermaßen aufgebaut: Eltern und Kind sitzen in einem gleichseitigen Dreieck und erhalten die Aufgabe, sich in vier Phasen miteinander zu beschäftigen, zu sprechen und zu spielen. Zunächst entscheiden die Eltern, wer anfängt, mit dem Kind zu spielen, während der andere Elternteil »einfach nur anwesend« ist. In der zweiten Phase wechseln die Eltern die Rollen. In der dritten Phase spielen alle drei gleichzeitig zusammen, und in der vierten Phase unterhalten sich die Eltern miteinander, während das Kind jetzt »einfach nur anwesend« ist und zuschaut. Das gesamte Spiel soll acht bis zwölf Minuten dauern. Die Eltern leiten die Phasenwechsel jeweils selbst ein und entscheiden ebenfalls, wann das Spiel zu Ende ist. Hier bieten sich viele Möglichkeiten der Kooperation. In den ersten beiden Phasen können mögliche Konflikte sichtbar werden, wenn sich etwa der schweigende Dritte in das Spiel der anderen beiden einmischt oder es stört. Für eine gelingende Phase zu dritt ist es notwendig, dass die Eltern sich gemeinsam eine Aktivität mit dem Kind ausdenken und dafür sorgen, dass alle drei Mitglieder der Triade gleichermaßen daran teilhaben. In der vierten Phase wird für kurze Zeit eine mögliche Paarebene neben dem Elternsein sichtbar. Nach dem Durchlaufen der vier Phasen erhalten die Eltern eine ausführliche Rückmeldung anhand der Videoaufzeichnung. Nach dem ersten Schritt, dem anhand der Auswertung vorgenommenen wertschätzenden Aufzeigen des spezifischen triadischen Verhaltens dieser Familie, sollte das Ergebnis ggf. in einen Prozess der therapeutischen Beratung einfließen (ausführlich in Borchardt et al. 2010).


Der entscheidende weiterführende Faktor dieser Art der Diagnostik und Intervention gegenüber dyadischen Betrachtungen ist das Wechseln auf die nächste Systemebene, welches innerfamiliäre Zusammenhänge und Dynamiken sichtbar macht, die zwar bei der Familie zu Hause Alltag sind, bei rein dyadischer Betrachtung jedoch nicht offen zutage treten.


Verwendete Literatur


Abelin, Ernst (1971): The role of the father in the separation-individuation process. In: J. McDevitt a. C. Settlage (eds.): Separation-individuation. New York (International Universities Press), pp. 229–252.


Borchardt, Silke, Lisa Schwinn, Andreas Eickhorst u. Britta Frey (2010): Lausanner Trilogspiel in der Eltern-Säuglings-Beratung. Psychotherapeut 55: 157–162.


Buchholz, Michael B. (1990): Die Rotation der Triade. Forum Psychoanalyse 6: 116–134.


Fivaz-Depeursinge, Elisabeth u. Antoinette Corboz-Warnery (2001): Das primäre Dreieck. Vater, Mutter und Kind aus entwicklungstheoretisch-systemischer Sicht. Heidelberg (Carl-Auer).


Fivaz-Depeursinge, Elisabeth, Francesco Lopes, Maryline Python a. Nicholas Favez (2009): Co-Parenting and Toddler’s interactive styles in family coalitions. Family Process 48 (4): 500–516.


Heider, Fritz (1958): The psychology of interpersonal relations. New York (Wiley).


Klitzing, Kai von (1998): »Wenn aus zwei drei werden ...« Ergebnisse einer prospektiven Studie zur Entstehung der Eltern-Kind-Beziehung. In: Dieter Bürgin (Hrsg.): Triangulierung. Der Übergang zur Elternschaft. Stuttgart (Schattauer), S. 104–115.


Minuchin, Salvador (1976): Families and family therapy. Cambridge (Harvard University Press).


Schon, Lothar (1995): Entwicklung des Beziehungsdreiecks Vater-Mutter-Kind. Triangulierung als lebenslanger Prozeß. Stuttgart (Kohlhammer).


Weiterführende Literatur


Bürgin, Dieter (Hrsg.) (1998): Triangulierung. Der Übergang zur Elternschaft. Stuttgart (Schattauer).