Frauen entscheiden anders. Oder?
Ja, klar entscheiden Frauen anders als Männer. Frauen entscheiden viel emotionaler und aus dem Bauch heraus. Sie brauchen länger, weil sie ihre Entscheidungen mit vielen besprechen müssen. Und sie entscheiden heute mal so und morgen eher so. Fakten und Tatsachen spielen nicht immer die tragende Rolle. Männer hingegen entscheiden eher hands-on, analytisch auf Zahlen-Daten-Fakten aufbauend und logisch. Gefühle, Bauentscheidungen und große Abstimmung brauchen sie weniger.
Soweit die vorherrschende landläufige Meinung. Alles Vorurteile?
Um eine Antwort auf die Frage zu finden, haben wir das Kairos-Entscheiderprofil genutzt. Die Befragten befassen sich dabei mit ihrem ganz persönlichen Entscheidungsverhalten, mit ihren Vorlieben und Abneigungen. Entscheide ich eher pragmatisch oder ist es mir wichtig, Konsenslösungen zu finden? Bereite ich Entscheidungen sorgfältig vor oder höre ich in erster Linie auf meinen Bauch? Insgesamt 8 Dimensionen des Entscheidens sind danach in jeder und jedem von uns angelegt, und jede/r von uns nutzt sie individuell stark ausgeprägt und vernetzt. So entsteht ein persönliches Entscheider-Profil.
Tatsächlich: Es gibt gewisse Unterschiede.
Wir haben uns die Entscheider-Profile von 5700 Personen angesehen und statistisch ausgewertet, wie der Zusammenhang zwischen den Geschlechtern und den Dimensionen des Entscheiderprofils ist. Und tatsächlich haben wir gewisse Unterschiede zwischen den Geschlechtern gefunden! Frauen haben einen höheren Wert in den Dimensionen Kommunikativ und Intuitiv. Bei Männern ist in der Tat die Dimension Pragmatisch stärker ausgeprägt. Die „gefühlte“ Meinung wird also durchaus in gewissem Maße bestätigt. Allerdings: Zwar sind Unterschiede messbar, jedoch nicht in einem Ausmaß, welches die „gefühlte“ Meinung erklären könnte.
Alter und Tätigkeit beeinflussen unser Entscheidungsverhalten weit mehr als das Geschlecht.
Um eine bessere Einschätzung für die Signifikanz der Unterschiede zu erhalten, haben wir uns weitere Zusammenhänge angeschaut: Spielt das Alter eine Rolle? Sind die Dimensionen bei Expertentätigkeiten anders ausgeprägt als bei Führungspositionen? Und welch Wunder, hierbei waren die Unterschiede deutlich markanter als die zwischen den Geschlechtern!
Mit zunehmendem Alter wird die Dimension Sorgfältig geringer, Intuitiv und Besonnen nehmen zu. Das bedeutet, der Wunsch nach vielen belegbaren Informationen nimmt ab und das Zutrauen in das eigene, unbewusste Erfahrungswissen wird stärker, ebenso wie der Blick auf das große Ganze an Wichtigkeit gewinnt.
Schauen wir uns die Ergebnisse zwischen Expert:innen und Führungskräften an, finden sich deutliche Unterschiede in den Dimensionen Energisch, Sorgfältig und Kommunikativ. Energisch ist bei den Führungskräften stärker, Sorgfältig und Kommunikativ weniger ausgeprägt als bei den Expert:innen. Das entschlossene, kraftvolle Vorgehen ist also das, was die Führungskräfte unterscheidet. Das gewissenhafte, systematische und das kooperative, konsensorientiere Vorgehen zeigt sich bei den Expert:innen als stärker ausgeprägt.
Was heißt das nun?
Manchmal sind es eben jene Vorurteile gegenüber dem anderen Geschlecht, die uns schmunzeln lassen, weil SIE mal wieder „so ein Bauchgefühl“ hat, während ER einfach nur „mit dem Kopf durch die Wand“ will. Und solange diese „gefühlten Wahrheiten“ nicht tatsächlich missbraucht werden, um Geschlechter zu stigmatisieren, ist dagegen wohl nichts zu sagen. Belegen lassen sich Unterschiede im Entscheidungsverhalten von Frauen und Männern nach unseren Untersuchungen aber nicht.
Somit lautet unser Fazit: Jeder Mensch entscheidet anders – darin sind wir alle gleich.