Das Familienunternehmen als New Work – oder: Wenn wir etwas wirklich wirklich wollen und uns dazu bekennen

Der erste Schritt der WIFU-Familienstrategieentwicklung


Im ersten Schritt der Familienstrategieentwicklung, die in der hier favorisierten Form auf eine mehrjährige Studie von Arist von Schlippe, Torsten Groth und Tom Rüsen basiert,[1] wird die Bereitschaft der Familie thematisiert, das Unternehmen gemeinsam zu verantworten und in die nächsten Generationen zu tragen. Das kann, emphatisch ausgedrückt, durchaus als ein Bekenntnis zum Familienunternehmen bezeichnet werden.


Vordergründig geht es hier um die Fragen, ob und wie sich Familie bisher zum Familienunternehmen bekannt hat, wie sie für ihr Unternehmen die Verantwortung trägt und unter welchen Umständen sie dies auch weiterhin tun will und damit auch, welche Grenzen diese Verantwortung hat. Pointiert wird hier gefragt, diskutiert und damit schließlich beantwortet, was wir folgendermaßen formulieren können: Wollen wir weiterhin eine Unternehmerfamilie sein und bleiben? Und welche Bedingungen würden dazu führen, dass wir diese Frage verneinen?


Ein Familienunternehmen entspringt zumeist einer kreativen Gründungsidee. Die Gründerpersönlichkeit hat mit viel Leidenschaft, also mit Emotionalität sowie mit Intelligenz und einem starken Handlungswillen ein Unternehmen in die Welt gebracht. Dafür wurde viel investiert, mindestens Lebenszeit und Lebensenergie sowie finanzielles Kapitel, das etwa durch Kredite und damit durch Schulden generiert wurde. Andere Bereiche des Lebens mussten für die Unternehmensgründung und den -aufbau zurückstecken. Diese Entbehrungen wurden in Kauf genommen, um etwas Neues, etwas Innovatives in die Welt zu bringen.


Solche unternehmerischen Erfolge setzen in der Regel voraus, dass Menschen etwas wirklich wirklich wollen, wie wir mit dem Erfinder der New Work-Philosophie Frithjof Bergmann sagen könnten.[2] Wenn Menschen etwas in dieser Weise wirklich wollen, dann orientieren sie ihr gesamtes Handeln, Denken und Fühlen genau darauf. Sie gehen Risiken ein, d.h., dass sie freilich nicht wissen können, ob ihre investierte Zeit, Energie und die eingesetzten finanziellen Mittel tatsächlich am Ende etwas Erfolgreiches zur Welt bringen werden. Diese Unsicherheit, dass Gründerpersönlichkeiten auch scheitern könnten, vielleicht in ersten Anläufen bereits gescheitert sind, halten sie aus, weil sie an etwas Größeres glauben, weil sie einer unternehmerischen Mission auf der Spur sind. Wir könnten mit einer modischen Note auch sagen, dass erfolgreiche Unternehmer/innen ihrem Purpose folgen. Er ist der Leitstern für all ihr Handeln, ihre emotionale Ausrichtung sowie ihr denkerischer und kreativer Inspirationskern.


Während des ersten Schrittes der Familienstrategieentwicklung bringen wir die beteiligten Familienmitglieder mit diesen emotional aufgeladenen Gründungsimpulsen ihres Unternehmens in Kontakt: Sind diese Gefühle, Leidenschaften, Energien sowie die damit einhergehenden Handlungen wie Entbehrungen noch spürbar? Welche Geschichten werden in der Familie darüber erzählt? Und welche Wirkungen haben diese Geschichten auch heute noch – insbesondere bei denen, die die Familienstrategieentwicklung verantworten?


Schließlich sollte geklärt werden, was die Familienmitglieder darüber denken, in welcher Governance das Unternehmen in die Zukunft geführt werden soll, welches so genannte Mentale Modell hinsichtlich der Unternehmens- und Familienführung praktiziert bzw. realisiert wird bzw. werden soll.[3] Besteht die Idee und Erwartung, dass es eine Person gibt, die in jeder Familiengeneration in die Führungsverantwortung eintritt oder sind eher teamorientierte Führungskonzepte im Blick, die mehrere Personen aus der Familie mit geteilter Verantwortung ausstatten?


Zudem muss entschieden werden, ob die Nachfolge bzw. die transgenerationale Ausrichtung in der Unternehmensführung und in der Eigentumsverantwortung verbunden sein sollen oder auch getrennt werden könnten. Sollte die Familie mit dieser Trennung arbeiten, also für die operative Unternehmensführung familienexterne Manager/innen engagieren und damit das Mentale Modell einer Aktiven Eigentümerfamilie realisieren, so ist es noch wichtiger, die emotionale Basis des Unternehmertums, den familiären Purpose für das Familienunternehmen zu bestimmen. Denn erst so kann spürbar werden, ob bzw. dass die Familie das wirklich will, was diese Form des Unternehmertums kennzeichnet: die transgenerationale Ausrichtung – das, was aus der Vergangenheit kommt, mit in der Gegenwart klar getragener Verantwortung in die Zukunft zu führen.


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[1] Schlippe, A. v., Groth, T. & Rüsen T. (2017). Die beiden Seiten der Unternehmerfamilie. Familienstrategie über Generationen. Auf dem Weg zu einer Theorie der Unternehmerfamilie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.


[2] Bergmann, F. (2005): Die Freiheit leben. Freiamt im Schwarzwald: Arbor. Vgl. bereits mit Bezug auf Familienunternehmen: Breidenbach, Joana (2021): New Work und InnerWork in Familienunternehmen, in: Jäkel-Wurzer, D., Mergele, M., Dahncke, S. (Hrsg.): Familienstrategie erleben und gestalten. Wie Unternehmerfamilien im Dialog mit der Vielfalt neue Kompetenzen entwickeln. Berlin: Springer, S. 49-57.


[3] Vgl. neben v. Schlippe et al., a.a.O. auch Rüsen, T., Schlippe, A. v., Groth, T. (2019): Mentale Modelle in Familienunternehmen. Wie Unternehmerfamilien über sich und ihre Verbindung zum Familienunternehmen denken. Praxisleitfaden. Witten: WIFU.