Clique

engl. clique, franz. clique; Bei Cliquen handelt es sich um über informale – beziehungsweise organisationskulturelle – Erwartungen geprägte Subsysteme (System), die sich im Schatten der Formalstruktur ausbilden (siehe Organisationskultur). Deswegen werden Cliquen – zurückgreifend auf eine ältere Terminologie – häufig auch als informale Gruppen bezeichnet (so z. B. Tichy 1973, S. 194) . Dabei ist zu beachten, dass durch den Fokus auf Cliquen nur ein vergleichsweise kleiner Teil der informalen Erwartungen in Organisationen erfasst wird. Der weitaus größere Teil der informalen Erwartungen entsteht in Organisationen, ohne dass sich zu dessen Ausbildung und Durchsetzung ein eigenes informales Subsystem ausbildet.


Cliquen können als »natürliche Fortsetzung und Verdichtung kollegialer Beziehungen« verstanden werden (vgl. Luhmann 1964, S. 324). Dabei darf aber die Bedeutung von Cliquen im Rahmen von kollegialen Beziehungen nicht überschätzt werden. Ein erheblicher Teil der kollegialen Beziehungen verdichtet sich nämlich nicht in Cliquen. Kollegiale Beziehungen umfassen auch Beziehungen zu Mitgliedern in der gleichen formalen Einheit, nur sporadische Kontakte zu Mitgliedern anderer Einheiten oder auch Erstkontakte zu bisher unbekannten Organisationsmitgliedern.


Cliquen können da entstehen, wo das Verhältnis zur formalen Organisation besonders distanziert und problematisch ist (vgl. Luhmann 1964, S. 324). Aber eine solche Distanz ist nicht notwendigerweise die Voraussetzung für die Ausdifferenzierung von Cliquen in Organisationen. Es gibt auch Cliquen, die sich bilden, weil eine Identifikation mit der Organisation ausgeprägter ist, als bei anderen Mitarbeitenden, um auf diese Weise bestimmte – formal (noch) nicht vorgesehene – Ziele in der Organisation zu befördern oder sich gegenseitig bei der Karriere zu unterstützen.


In Cliquen kommt es zwar nicht zwangsläufig dazu, dass ihre Mitglieder sich als Personen mit sehr unterschiedlichen persönlichen Rollenbezügen einbringen. Die Wahrscheinlichkeit dazu ist allerdings nicht gering. Wenn man sich im Widerstand gegen die Organisation befindet, versucht, sich gegenseitig in der Karriere voranzubringen, oder Ziele jenseits der offiziellen Agenda der Organisation durchsetzen will, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Organisationsmitglieder nicht nur in ihren Organisationsrollen begegnen, sondern sich auch über andere Rollen austauschen und darüber Personenkenntnisse aufbauen.


Die Mitgliedschaft in Cliquen ist – gerade im Vergleich zu Teams – schwer zu bestimmen. Häufig ist in einer Organisation gar nicht klar, wer zu einer Clique dazugehört und wer nicht, weil die Übergänge zu ganz normalen kollegialen Beziehungen fließend sind (Luhmann 1965, S. 175 f.). In Organisationen herrscht vielfach die Erwartung, dass alle Mitarbeitenden kollegial miteinander umgehen und sich gegenseitig unterstützen. In Cliquen werden die kollegialen Beziehungen dann jedoch in einer Form besonderer Solidarität kondensiert.


Da es – anders als bei Teams – keine durch die Organisation abgesicherte Zuweisung von Personen zu Cliquen gibt, ist die Identität der Clique für die Cliquenmitglieder und erst recht für Außenstehende häufig nur schwer zu fassen (zu all diesen Punkten ausführlich Luhmann 1964, S. 331 f.). Die Cliquen können selbst darüber verfügen, wer in ihnen Mitglied ist und wer nicht. Organisationen mögen – wenn sie die Bildung von Cliquen überhaupt wahrnehmen – über Vorgesetzte appellieren, dass sich die Cliquen doch neuen Organisationsmitgliedern annehmen oder zumindest versuchen sollten, allzu brutale Ausschlüsse zu unterbinden. Aber es gibt keinen formalen Zugriff auf die Cliquenmitgliedschaft seitens der Organisation.


Cliquen beziehen sich in der Ausbildung ihrer Normen zwar auf die formalen Regeln, sind in der Ausbildung dieser Normen jedoch autonom. In Industriebetrieben ist etwa früh beobachtet worden, dass Teammitglieder, die den Akkordlohn durch Übererfüllung der Norm »kaputt machten«, als »Akkordbrecher« bezeichnet wurden, während diejenigen, die auf Kosten des Teams zu wenig arbeiteten, als »Nassauer« diskriminiert wurden (siehe dazu Roethlisberger u. Dickson 1939, S. 196 ff.; König 1961, S. 102 f.). In Armeen ist beobachtet worden, dass sich innerhalb von militärischen Einheiten Cliquen gebildet haben, in denen sich auf der Grundlage von besonderen Loyalitäten zwischen einzelnen Mitgliedern die Norm einer außergewöhnlichen Kampfbereitschaft ausgebildet hat (siehe dazu einschlägig Little 1964).


Aber weil Cliquen über die Mitgliedschaft in der Organisation nicht verfügen können, behält die formale Organisation das Heft gleichwohl in der Hand. Organisationen können zwar nicht direkt auf die Normbildung in Cliquen einwirken, aber sie haben prinzipiell die Möglichkeit, Personen aus der Organisation zu entfernen und Cliquen auf diese Weise zu schwächen oder gar aufzulösen. Häufig reicht dabei das Ausscheiden von einer oder zwei Personen, um zur Auflösung einer Clique zu führen. Die Existenz von Cliquen in Organisationen ist immer prekär (Luhmann 1965, S. 178 f.).


Cliquen sind im Gegensatz zu Teams nicht in die hierarchische Struktur der Organisation eingebunden und bilden deswegen auch keine formal abgesicherten Führungsrollen aus. Aber auch hier können sich Führungsrollen ausbilden, die von allen Mitgliedern einer Clique akzeptiert werden. Die einen nehmen den Einfluss eines hervorgehobenen Cliquenmitglieds an,


»weil die anderen ihn annehmen; und die anderen nehmen ihn an, weil die einen ihn annehmen«. Der Vorrang eines Gruppenmitglieds in einer Clique nimmt dann eine »sich selbst verstärkende Sicherheit an« (Luhmann 1975, S. 76).


Auch wenn die Führungsrollen in Cliquen selbst nicht formalisiert werden können, wirkt bei der Ausdifferenzierung von Führungsrollen in Cliquen der formale Rang der Organisation »unerbittlich hinein« (Luhmann 1964, S. 172). Das wird deutlich, wenn eine Clique Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen umfasst. Hier ist es wahrscheinlich, dass Personen eine herausgehobene hierarchische Position in einer Organisation auch in situationsübergreifende Führungsansprüche in Cliquen übersetzen können. Es können dann verschiedene Hierarchiestufen und Abteilungen übergreifende Patronage-Netzwerke (Netzwerk) entstehen, in denen eine formal herausgehobene Person Mitglieder der Clique auf zentrale Positionen nachziehen kann (siehe zu den sogenannten Don-Corleone-Netzwerken Bosetzky 2019, S. 29 ff.).


Die Themenwahl in Cliquen bezieht sich auf die Organisation. Anders als bei Teams hat aber die Organisation keinen Zugriff auf die Themenwahl. Die Organisationsspitze kann einer Clique nicht formal vorgeben, welche Themen sie zu wählen hat und welche nicht. Weitergehend ist es nicht unwahrscheinlich, dass gerade der Versuch der Vorgabe oder des Verbots von Themen durch die Organisation zu gegenteiligen Reaktionen bei einer Clique führen kann. Ein von oben verordnetes Thema (z. B. »Diskutieren Sie einmal mit Kolleginnen und Kollegen über Innovationshemmnisse!«) kann es für die tatsächliche Themenselektion uninteressant machen, während der umgekehrte Versuch eines Themenverbots (z. B. »Bitte diskutieren Sie noch nicht die anstehende Fusion!«) lässt solche Anliegen für Cliquen überhaupt erst spannend werden.


In der Forschung über Cliquen hat sich ein Strang ausgebildet, der zwischen verschiedenen Typen von Cliquen unterscheidet. Es wird differenziert zwischen Selbstachtungscliquen, die vorrangig damit beschäftigt sind, angesichts des formalen Drucks ihre Selbstachtung zu erhalten; Karrierecliquen, denen es vorrangig um ihr eigenes Fortkommen geht; Cliquen von Claqueuren, die ihre Zeit mit dem Bejubeln von Organisationen und ihren Führern verbringen; Fraktionen, in denen sich Personen finden, die inhaltliche Einzelinteressen vorantrieben (siehe nur beispielsweise für solche Cliquentypologie Luhmann 1964, S. 324 ff.; Tichy 1973, S. 201 f.; Polsky 1978, S. 94 ff.).


Die mehr oder minder explizite Annahme ist dabei, dass sich anhand von Zwecken unterschiedliche Typen von Cliquen mit eigenen Bedingungen der Mitgliedschaft ausbilden. Dabei wird jedoch übersehen, wie fließend die Übergänge zwischen den verschiedenen Zwecken einer Clique sein können. In Cliquen wird nicht selten zwischen dem Klagen über Entwicklungen in der Organisation, der Propagierung einer noch nicht verankerten Zielrichtung sowie der Beförderung gegenseitiger Karriereansprüche changiert, dabei also vor allem opportunistisch auf Entwicklungen in der Organisation reagiert.


Das schließt natürlich nicht aus, dass sich Cliquen auch stärker durch die Definition eines Zwecks und daran ausgerichteten Mitgliedschaftsbedingungen formalisieren können. Man denke nur beispielhaft an die unter dem Begriff des Anden-Pakts bekannt gewordenen Clique von CDU-Männern mit Karriereambitionen oder an die Formalisierung von Cliquen von Strafgefangenen in Gefängnissen. Derartige Formalisierungen von Cliquen in Form von formulierten Zwecken – im Übrigen aber auch von ausdifferenzierten Hierarchien und explizit artikulierten Mitgliedschaftsbedingungen – sind jedoch selten, weil diese zwangsläufig in Konkurrenz zu den Formalisierungsansprüchen der Organisation geraten.


Verwendete Literatur


Bosetzky, Horst (2019): Mikropolitik: Netzwerke und Karrieren. Wiesbaden (Springer VS).


König, René (1961) Die informellen Gruppen im Industriebetrieb. In: Erich Schnaufer u. Klaus Agthe (Hrsg.): Organisation. Berlin (Deutscher Betriebswirte Verlag), S. 55–118.


Little, Roger W. (1964): Buddy relations and combat performance. In: Morris Janowitz (Hrsg.): The new military. Changing patterns of organization. New York (Russell Sage), S. 195–224.


Luhmann, Niklas (1964): Funktionen und Folgen formaler Organisation. Berlin (Duncker & Humblot).


Luhmann, Niklas (1965): Spontane Ordnungsbildung. In: F. Morstein Marx (Hrsg.): Verwaltung. Berlin (Duncker & Humblot), S. 163–183.


Luhmann, Niklas (1975): Macht. Stuttgart (Enke).


Polsky, Howard W. (1978): From claques to factions: Subgroups in organizations. Social Work 23: 94–99.


Roethlisberger, Fritz J. u. William J. Dickson (1939): Management and the worker: An account of a research program conducted by the western electric company, Hawthorne Works, Chicago. Cambridge (Harvard University Press).


Tichy, Noel (1973): An analysis of clique formation and structure in organizations. Administrative Science Quarterly 18 (2): 194–208.


Weiterführende Literatur


Kühl, Stefan (2021): Die folgenreiche Verwechslung von Teams, Cliquen und Gruppen. Zu unterschiedlichen Formen der Systembildung von Organisationen. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie 52: 417–434.


Polsky, Howard W. (1978): From claques to factions. Subgroups in organizations. Social Work 23: 94–99.