Sounds of Science / Antonia Pfeiffer – Emotionale Erinnerung und ihr Update

Antonia Pfeiffer ist Ärztin in eigener Praxis und Forscherin am Insula-Institut für integrative Therapieforschung mit dem Schwerpunkt bifokale Stimulationstechniken. Soeben erschien ihr richtungweisendes Buch Emotionale Erinnerung – Klopfen als Schlüssel für Lösungen – Neurowissenschaftliche Wirkhypothesen der Klopftechniken in der Carl-Auer Reihe Reden reicht nicht!? Unter Einbezug der Polyvagaltheorie, klinischer Studien, fMRT-Studien und vielem anderen zeichnet Antonia Pfeiffer ein detailliertes Bild möglicher Erklärungsansätze dafür, dass "Erinnerungsupdate" tatsächlich gelingen kann.


Bei Carl-Auer Sounds of Science spricht Antonia Pfeiffer über die Möglichkeiten, emotionale Erinnerung zu beeinflussen, über die Wichtigkeit der Einbeziehung des Körpers in der Psychotherapie und darüber, was wir alles noch nicht wissen (obwohl manche anderes behaupten) und worauf Schwerpunkte der zukünftigen Forschung liegen sollten, für eine stetige Verbesserung der Praxis.



Auch beim Mund-Nasen-Schutz bleiben die Ohren frei! Also: Ob im Auto oder mit oder ohne Maske in der großen weiten Welt: Bleiben Sie wach mit Carl-Auer Sounds of Science! Und mit Heidelberger Systemische Interviews und der Autobahnuniversität. Jeder Stau bringt Sie weiter! Wo es geht, die freien Augen und den freien Geist nutzen: Carl-Auer Bücher lesen, Carl-Auer Wissen nutzen! Carl-Auer Bücher sind Investitionen ins Leben.


Transkription des Interviews


Ohler Liebe Antonia Pfeiffer, ich grüße dich in den Räume des Carl-Auer Verlages und danke für deinen Besuch. Hallo.


Pfeiffer Ja, hallo. Ich freue mich riesig, hier zu sein.


Ohler Ja, ich freue mich auch, dass du hier bist. Freue mich auch sonst natürlich, hier in den Räumen zu sein. Und wir haben die Gelegenheit beim Schopf gepackt – Kairos –nachdem du auf der Durchreise hier den Verlag besuchst, zu sagen: Wir sprechen miteinander. Wir hatten kürzlich ein Interview mit Michael Bohne und dir zusammen im Kontext des Polyvagaltheorie-Kongresses. Und jetzt dachte ich, können wir untereinander auch noch mal ein bisschen tiefer reingucken in deine Arbeiten, die jetzt in diesem neuen Buch Emotionale Erinnerung erscheinen. Ich habe – zur Erläuterung für die Hörerinnen und Hörer, wenn die so ein Geräusch hören, das ich jetzt mache – die Satzfahne hier liegen, sehr zu unserer Freude. Das heißt, das Buch ist in den letzten Zügen, wenn man so will, und erscheint dann in den kommenden Wochen. Antonia, ich steige mal direkt ein: Emotionale Erinnerung, für manche ist es vielleicht selbstverständlich, für manche ist es nicht selbstverständlich, diese beiden Worte „emotionale Erinnerung“ in Zusammenhang zu bringen. Was ist eine emotionale Erinnerung? Was ist daran und daraus zu verstehen? Und wieso ist es so wichtig?


Pfeiffer Dafür ist erst mal wichtig zu wissen, dass es sowohl bewusste emotionale Erinnerungen gibt und unbewusste emotionale Erinnerungen. Die Hauptprotagonisten des Buches sind natürlich die unbewussten emotionalen Erinnerungen. Das sind die körperlichen Reaktionen. Wenn wir zum Beispiel etwas Angstbesetztes erleben, dann wird einmal die Geschichte abgespeichert, was auch immer uns da Schlimmes passiert ist. Und das ist die bewusste Erinnerung. Und dann gibt es noch eine unbewusste emotionale Erinnerung, und das sind wirklich die körperlichen, emotionalen und Verhaltens-Reaktionen auf bestimmte Stimuli, die dann als automatisiert abgespeichert werden in unbewussten Arealen. Und dann kann es zum Beispiel passieren, wenn es jetzt mit einem roten Auto war, dass wir in Zukunft, wenn wir ein rotes Auto sehen, so ein mulmiges Gefühl kriegen oder Orte vermeiden, wo rote Autos stehen oder aber immer uns auf einmal die Tränen kommen. Und da versucht dann das Gehirn – der bewusste Anteil – daraus eine Geschichte zu spinnen. Aber das, was die Erinnerung ist, ist nicht die Geschichte, sondern ist wirklich diese körperliche Reaktion. Und das sind zwei Dinge, die auch komplett unabhängig voneinander gespeichert werden können. Und es kann sich auch speichern, ohne dass wir uns bewusst sind, dass wir da gerade was abspeichern. Das ist quasi das emotionale Lernen, was wir irgendwann mal erfahren und was auch nicht als rational – also zum Beispiel "ja, rote Autos sind ja eh nicht gefährlich" – abgespeichert wird, sondern als individuelles Gefühl, das wir zu dem Zeitpunkt hatten. Und das fühlt sich dann auch für uns als wahr an, wenn das aktiviert wird. Also dann denken wir, die sind wirklich gefährlich, und fühlen uns dann vielleicht noch schräg, weil wir das fühlen. Also das ist wirklich dieses, was da ist, aber wofür es manchmal schwer ist, einen Namen zu finden.


Ohler Du hast dich in diesem Buch mit Forschungshypothesen, neurobiologische Forschungen, zu den Klopftechniken beschäftigt. Das kann man da auch alles gut nachlesen. Dann kommen wir auch noch hin. Ich bleibe aber zuerst mal bei dieser emotionalen Erinnerung. Im Vorgespräch hast du gesagt, spannend ist für dich dieser konstruktivistische Ansatz auch. Oder wie ich es auch von Gunther Schmidt immer hörte: Erleben ist immer gegenwärtig, immer im Präsens. Hängt das damit zusammen, dass die emotionale Erinnerung jetzt ist?


Pfeiffer Es gibt eine eine Richtung in der Neurowissenschaft gerade, von einer Forscherin aus USA, die hat ein Buch geschrieben How Emotions Are Made. Und da geht es darum, wie Emotionen gemacht, also konstruiert werden vom Gehirn. Und ich finde den Ansatz einfach spannend, dass wir nicht, wenn wir einmal eine Angst haben, für immer diese Angst haben, sondern dass es da verschiedenen Komponenten gibt, so ein Gefühl oder auch so ein Glaubenssatz, all diese Dinge. Und eine wirkmächtige Komponente von Emotion und auch von allem Erleben ist immer der Körper. Man kann sich das so vorstellen: Irgendwo ist dann „Rotes Auto gleich Schockstarre“ irgendwie abgespeichert. Und dann ist der Teil, den wir bewusst erleben, die Schockstarre. Und dann aber noch die ganzen Geschichten, die wir drumrum basteln. Und einfach nur dieses Wissen, dass diese Emotion nicht was ist, was irgendwie in Stein gemeißelt ist, sondern dass das Etwas etwas ist, wo wir die Geschichte verändern können, wo wir die Körpererfahrung verändern können, wo sogar die emotionale Erinnerung ein Update kriegen kann und da abgespeichert werden kann „Das ist nicht mehr gefährlich, das war früher mal so, ist aber nicht mehr so“. Also dass das nicht etwas ist wie „Einmal eine Angst und dann hat man sie für immer“, sondern dass das was ist, was sich auch verändern kann und wo man selbst dran mit gestalten kann. Das das ist das, was Hoffnung bringt.


Ohler Ich finde das sehr spannend, wenn man sich anguckt, wie in den Konzeptionalisierungen von Trauma sehr häufig Metaphern benutzt werden wie Narben, „da bleibt immer was“. Würdest du eher sagen, nein, das muss nicht so sein, sondern das kann, ohne jetzt zu viele Versprechungen zu machen, aufgelöst werden und neu gestaltet, so, dass das dann einfach keine Rolle mehr spielen muss.


Pfeiffer Das ist eine sehr komplexe Frage. Ich glaube, dass das, was wir sagen können, ist: Das wissen wir noch nicht. Das ist auch das Allerspannendste, das momentan in der Forschung ist, dass man wirklich lange Zeit davon ausging, dass emotionale Erinnerungen für immer sind. Also so hat es Bessel van der Kolk 1994 noch gesagt. Vor kurzem hat auch noch der Neurowissenschaftler Gerhard Roth aus Deutschland ebenfalls das gleiche gesagt: Die Amygdala vergisst nicht. Aber wir wissen es nicht. Also momentan bewegt sich die Forschung eher dahin zu sagen, auch komplexe Dinge können sich auflösen. Also ich glaube nicht, gerade bei ganz schweren Traumata, dass wir wirklich komplett zurückgehen können, weil der gesamte Organismus sich ja wenn man sagen wir mal 20 Jahre das hatte, sich verändert. Aber es gibt zum Beispiel, um jetzt zu der Klopf-Forschung zu kommen, eine Studie, die mit Veteranen gemacht wurde in den USA. Die hatten sechs Klopf-Sitzungen mit der methode EFT. Das ist eine amerikanische Klopf-Therapie oder Klopf-Technik. Danach erfüllten, glaube ich, um die 90 % nicht mehr die Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung. Lange Zeit wurde auf Trauma aus einem ganz dramatischen Blickwinkel geguckt. Also so nach dem Motto: Das geht nie wieder weg, das ist für immer. Und ich glaube, wenn wir das Narrativ auch irgendwie zu einem Weicheren hinbewegen – es kann sich vieles verändern, und wer weiß, wie viel sich noch verändern kann, wer weiß, was möglich ist, wenn die optimalen Bedingungen da sind – dann, glaube ich, verändert schon allein die Veränderung des Narrativs viel. Und das ist wiederum möglich, weil tatsächlich die Forschung in die Richtung geht, zu sagen: Wir wissen nicht, ob die Erinnerungen gelöscht werden, ob die einfach abgeändert werden, ob die anders abgespeichert werden, aber wir wissen, dass sie in irgendeiner Form veränderbar sind und diese Körperreaktionen sich irgendwie verändern können. So viel finden wir anscheinend grad raus.


Ohler Ich finde das unheimlich spannend. Du hast eine wahnsinnslange Forschungsgeschichte schon hinter dir und hoffentlich, wenn ich das so sagen darf, noch vor dir. Es scheint also doch so zu sein, dass sich da auch vieles entwickelt und manche Gewissheiten ein bisschen touchiert werden.
In der konstruktivistischen Ideengeschichte spielt ja diese Autopoiesis eine Rolle, in der sich ein Organismus immer selber noch mal neu regeneriert und konstruiert und dadurch ein Stück weit auch konservativ wird, es aber trotzdem auch Drifts gibt, wo hinterher was anderes ist.


Pfeiffer Also ich glaube, dass gerade auch in dieser Autoregulation viel Potenzial steckt und dass wir sie eher dadurch, dass wir den Körper aus der Therapie wie rausgenommen haben, verhindert haben. Ich habe mich jetzt mit ganz unterschiedlichen Methoden, also nicht nur mit der Klopf-Technik, sondern auch mit anderen beschäftigt. Und die gehen alle dahin, dass der Körper mit einbezogen wird in die Therapie, und das dann auf irgendwelchen noch unbekannten Wegen, wo auf biologischer Ebene Dinge passieren, die hin in eine Regulation gehen, wo wir noch gar nicht genau wissen, was da passiert. Aber irgendwas Gutes passiert da auf jeden Fall.


Ohler Ich finde das sehr komplex: Biologische Forschung mit so einem komplexen System, wie es ein menschlicher Körper ja ist. Auch da gibt es ja immer wieder das Reden der Art „Es gibt da den Körper, es gibt da das Gehirn“. Es gibt die Polyvagal-Theorie, da haben wir unlängst drüber gesprochen, die Idee des Autonomen Nervensystems. Es gibt die Idee der Verbindung von Körper und Nervensystem. Wo geht es da hin? Würdest du sagen, es ist wichtig, das eine vom anderen zu unterscheiden? Oder ist mit Körper eigentlich alles gemeint? Kann, muss, soll man da weiter differenzieren? Und wo geht da die Forschung hin gerade? Was hast du für einen Eindruck von der Tendenz?


Pfeiffer Also ich glaube, es ist hilfreich, dass wir immer differenzierter werden in der Sprache und auch wirklich Aufmerksamkeit und Geld in diese Forschungsrichtung fließt. Was ja wirklich einfach geradezu superspannend ist, und was auch mein Forschungsgebiet war: Wenn wir eine traumatische Erfahrung aktivieren oder ein Angstthema aktivieren und es in der Therapiesitzung so aktivieren, wie es im echten Leben auch aktiviert wird und dann körperliche, humorvolle Gemeinschaft suggerierende oder Sicherheit suggerierende Signale senden, wie beeinflusst das die Erinnerung? Und wie beeinflusst das das Erleben? Wie beeinflusst das die Therapie? Man muss sich das so vorstellen: Das Thema wird natürlich mental aktiviert, das heißt, es wird im Gehirn aktiviert, die Angst zum Beispiel. Und dann spüren wir aber im Körper, in der Therapiesitzung selber, wie sich das anfühlt. Und da wird auch immer nachgefragt: Wo im Körper spüren Sie es jetzt grad, die Angst? Da sagt eine, da wird mir ganz schwummrig und meine linke Hand fängt an zu zittern. Und dann setzt man im Hier und Jetzt neue körperliche Signale. Und dass das was anderes ist, als nur drüber zu reden, das ist schon mal wichtig. Und dass das dann sowohl mental aktiviert wird, als auch im Körper gespürt wird, und dann auch auf körperlicher sowie auf mentaler Ebene behandelt. Es ist so spannend und auch wichtig, da Worte für zu finden, die wir teilweise noch gar nicht genau haben, für das, was da eigentlich passiert. Ich erlebe es auch immer wieder, wenn ich zum Beispiel auf einen Kongress fahre und das anderen erzähle, dass da ein Gegenwind auch kommt und gesagt wird: Nee, das Klopfen, das ist doch nicht so wichtig, oder das ist doch alles nur wieder die Exposition, oder das ist doch nur das Positive. Also dass dieser körperliche Aspekt immer noch Schwierigkeiten hat, als Wirkfaktor anerkannt zu werden. Deswegen brauchen wir diese Sprache und diese Forschung, dass diese heilende Wirkung körperlicher oder irgendeiner Form von Stimulation im Therapeutischen ein Faktor ist und dass wir dafür Worte finden.


Ohler Im letzten Gespräch hast du auch vom gleichen Keimblatt für Haut und Hirn gesprochen, als Wirkypothese der Art, dass das Arbeiten mit der Haut quasi kein Wunder ist, sondern dass das tatsächlich eine Auswirkung hat auf ein System, von dem man denkt, das hat damit gar nichts zu tun ...


Pfeiffer Ja, schon allein, wenn man sich die Sprache anschaut, die wir benutzen, „das berührt mich“, „this touches me“, in allen Sprachen ist eigentlich das Berühren und das Bewegen mit Emotionen verbunden. Über Jahre oder über Jahrzehnte hinweg wurde die Haut von der Wissenschaft vor allen Dingen als ein Informationsorgan dargestellt. Wenn man jetzt noch in Medizinbücher schaut, Neuroanatomie, steht da tatsächlich nur „die Haut ist wichtig, um Informationen über taktile Reize, über thermische Reize und sonst was aufzunehmen“. Aber dass es in der Haut Rezeptoren gibt, die mit emotionalen Arealen verschaltet sind, die, wenn sie aktiviert werden, gar nicht die taktilen Areale im Gehirn aktivieren, sondern in Anführungszeichen „emotionale Areale“ aktivieren, die wiederum die Amygdala, unser Zentrum für Aufregung usw beruhigen können, das steht nicht drin in den neurowissenschaftlichen Büchern, die in diesem Jahr oder im letzten Jahr neu rausgekommen sind, oder eben in den Neuauflagen. Also es ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass es eine der zentralen Aufgaben der Haut ist, dass wir über so viel an Bindungsbotschaften und an Sicherheitsbotschaften empfangen. Das wird noch nicht gelehrt in den medizinischen Unis. Es wird in manchen Büchern jetzt schon mal mit einem Satz erwähnt.


Ohler Aber immerhin.


Pfeiffer Immerhin. Genau. Es hat´s schon in manche Tabellen geschafft. Aber trotzdem, deshalb ist es wichtig, darüber zu sprechen, weil es dadurch ins Allgemeinwissen kommt, und damit wird es auch logisch, die Haut zu integrieren, wie beim Klopfen, in die Therapie.


Ohler Also ich höre daraus auch so ein bisschen ein Plädoyer, mutig zu sein in Begriffsentwicklung. Du hast in deinem Buch auch gemacht mit manchen Benennungen. Als du davon sprach, dass der Körper irgendwie nicht so richtig ins Spiel genommen wird in therapeutischen Prozessen, ist mir tatsächlich vorhin der Gedanke gekommen: Kann das auch damit zusammenhängen, dass tatsächlich darin eine gewisse Sicherheit im Umgang mit den Phänomenen sowohl sprachlich eine Rolle spielt, aber vielleicht auch, dass man sich ein bisschen fürchtet, mit diesem Körpereinsatz zu arbeiten, wo man selber vielleicht gar nicht so ...


Pfeiffer Das kann gut sein. Das ist eine total spannende Frage, wo ich mich immer frage: Sind wir noch bei Descartes und Co., die dann irgendwie den Geist über alles erhoben haben. Oder ist es die Religion, die irgendwie noch mit reinfunkt? Wo sind wir als Gesellschaft? Wenn man zum Beispiel jetzt nach Indien gehen würde, wäre es klar, dass Atemtechniken irgendwie beruhigen und dass so was mehr verankert ist, glaube ich. Auch Scham spielt eine Rolle, dass Grenzen gewahrt werden. Obwohl ich sagen muss, im Therapeutischen – ich arbeite auch als Ärztin – da finden es alle eigentlich immer total toll, dass dann da auch so was richtig „actionmäßig“ passiert, so ein bisschen, wo man nicht nur redet, sondern zum Beispiel die Angst tatsächlich thematisiert wird und geschaut wird: Was ist das eigentlich? Was macht es im Körper? Ich hatte vor kurzem eine Zugführerin, die beim Quietschen sehr Stress entwickelt hat, und wir haben wirklich dazu dann geklopft, das war total hilfreich. Ich habe selten erlebt, dass das Menschen ganz befremdlich finden. Das gibt es natürlich auch. Also es kann schon sein, dass das damit zusammenhängt, dass das einfach noch irgendwie ein bisschen schräg aussieht.


Ohler Da gibt es ja auch eine Berührung von dem, was schräg aussieht, damit, wie es beurteilt wird: „Ist doch alles Hokuspokus mit dem Körper, oder? Was machen die da?“ Was mir von da eingefallen ist, als du von Descartes gesprochen hast, und von dieser Sprache, die wir für unsere Emotionalität verwenden, die taktile Sprache, Berührung, Touches, Bewegung und so. Man könnte ja auch mal hinschauen – ganz spontane Frage, wenn du dazu nichts sagen willst, kein Problem –: Es gibt ja auch eine Geschichte des literarischen Sprechens, wo in Literatur tatsächlich auch zu Sprache angeregt wird, um über uns selber neue Zugänge zu schaffen. Wirklich über über Poetisches Sprechen, sage ich mal. Das wird ja nicht so einfach sein, von dort her Forschungsdesigns zu entwickeln. Was wäre nötig, um in diese Richtung neue sprachliche Möglichkeiten zu finden und differenzierter zu werden, wie du es zum Beginn gesagt hast. Was brauchen wir da in Richtung von Forschungs Designs an Unterstützung, um die so zu machen, dass das auch ein Ergebnis sein kann?


Pfeiffer Als ich ich weiß nicht, ob ich die Frage ganz richtig verstanden hab. Ich glaube, was, was auf jeden Fall hilfreich ist, ist ein allgemeiner Diskurs darüber, was wissenschaftlich untersucht ist und was in psychologischen Theorien steht. Ich glaube einfach, schon allein die Forschung, die existiert, In die Sprache der Therapie zu übersetzen, das wäre ein guter Anfang, und noch mehr zu gucken, wann setzt die Sprache ein und welche Bereiche sind nicht-sprachlich? Was bedeutet es, wenn es nicht sprachlich ist? Da gibt es ja auch zum Beispiel so was, wovon dann die Psychoanalytiker sagen, das ist vorsprachlich. Das Spannende ist ja das, dass wir uns da überall treffen können. Also man kann sowohl mit der Exposiitonstherapie, die ja ganz viel auf den Konditionierungsversuchen von Pawlow basiert, als auch mit der Verhaltenstherapie fragen: Wo können wir uns mit dem, was schon da ist, mit ein bisschen Neurowissenschaft treffen und auch alte Vorurteile aufräumen und wirklich mehr schauen, was aus der alten Theorie stimmt und wo man auch wirklich eine Verneigung machen und sagen kann: Wow, was ihr damals schon gesehen habt, ohne diese ganze Wissenschaft. Und wo gibt es vielleicht Dinge, die eine Anpassung brauchen? Zum Beispiel eben diese nicht-sprachlichen Dinge, wo es hilfreich ist, wenn man da den Körper mit einsetzt, weil es sich über Körpersignale ausdrückt und wir schon auch gerade über literarische und poetische Sprache den Zugang kriegen können zu diesen alten Geschichten. Wie hilfreich der Körper ist, wenn so ein stummes Entsetzen da ist, oder irgendwas da ist, was man eigentlich nicht verbalisieren kann und vielleicht auch nicht unbedingt will, und wo das Verbalisieren vielleicht auch gar nicht hilfreich wäre. Also nicht in dem Sinne: Okay, es gibt jetzt hier die Körpertherapeuten, die Tiefenpsychologen und die kognitiven Verhaltenstherapeuten, sondern zu gucken, wo sagen wir irgendwie schon auch die gleichen Sachen, wo können wir uns treffen und. Und auch zu sehen, dass diese Körpertherapie meistens eher eine Ergänzung ist zu dem Alten und dass alles sehr patientenzentriert wird.


Ohler Es scheint – so habe ich es beim letzten Gespräch auch schon ein bisschen gehört –, dass es dir ein großes Anliegen ist, dass wir wissen, mit wem wir da arbeiten. Es geht hier um Menschen, die sich uns anvertrauen oder euch anvertrauen. Alter konstruktivistischer Grundsatz: Der Klient entscheidet, ob die Therapie erfolgreich war ...
Noch mal kurz zu den Klopftechniken oder auch zu anderen. Der Michael Bohne hat ja immer, ihm war immer ein Anliegen, das zu entmystifizieren. Ja. Das heißt also zu sagen okay, es scheint irgendwas zu funktionieren, wir können es sogar in gewisser Weise, was Abläufe betrifft und Sequenzen betrifft, systematisieren. Ja, aber was ist mit den Wirkhypothesen? Das scheint ja auch ein wichtiger Kern deiner Forschung zu sein, dass die Forschung einen Versuch darstellen kann, diese voranzutreiben, aber nicht Entmystifikation im Sinne, dass es nicht funktioniert, sondern viel bessere Erklärungen zu finden. Und die Techniken zu verbessern. Stimmt das?


Pfeiffer Also man kann so viel von dem, was da in einer Klopf-Sitzung und auch in einer PEP-Sitzung passiert, wirklich gut neurowissenschaftlich erklären. Und zwar das Spannende ist, dass es Grundlagenforschung gibt. Ich habe immer versucht, so vorzugehen: Einmal zu schauen, okay, wofür gibt es Klopf-Forschung, wofür hilft es? Dann kann man sagen, insgesamt ist Klopfen wirklich hilfreich bei Trauma und Ängsten und Stresszuständen im Körper. Also dieser Bereich Psychosomatik, aber da waren auch alle möglichen Zustände mit dabei, wo einfach der Körper und der Stress-Zustand des Körpers eine Rolle spielt. Dabei wirkt es ziemlich gut. Und dann zu gucken, okay, was macht diese Krankheitsbilder aus? Und vieles davon ist wirklich einfach dieser hohe Arousal, dieser hohe Stresszustand im Kopf und im Körper, wo dann auch der präfrontale Kortex einfach nicht so gut aktiviert wird und deshalb auch diese rationalen Erklärungen dann nicht so gut wirken. Und das Klopfen kombiniert halt ein spielerisches Herangehen mit einer Vielzahl an Tools, die auf einer körperlichen Ebene regulierend wirken. Also beim Klopfen klopft man ja nicht nur, man ist sehr stark in Interaktion, beide machen das gleiche, machen die gleiche Bewegung, machen die gleiche Berührung, dann spielt diese Synchronie, also dass beide das gleiche machen, auch eine Rolle. Dann wird ja am Anfang das Trauma aktiviert und dann geht man quasi gemeinsam durch diese Trauma-Konfrontation durch, weil beide auf neuronaler Ebene quasi das gleiche machen und bestimmt irgendwelche Spiegelneurone aktiviert werden im andere, wo man einfach merkt: Okay, ich bin jetzt hier gerade nicht allein, während ich mir dieses anschaue, sondern wir schwingen da irgendwie auf der gleichen Ebene.Und dann wird auch wirklich viel gelacht, eigentlich immer. Ich hatte noch nie eine Sitzung, wo nicht gelacht wurde dann, weil es einfach so komisch aussieht, und dann kurbelt man und sagt „Auch wenn mein Körper gerade glaubt in Gefahr zu sein, liebe und akzeptiere ich mich so wie ich bin, behalte die Kontrolle und finde meinen Weg“. Oder: „ Und auch, wenn ein Teil von mir das nicht glaubt, gibt es wissenschaftliche Gründe, weshalb es trotzdem sinnvoll wäre, mich jetzt in Sicherheit zu wiegen.“ Also man macht ja schon ein bisschen Unfug auch oft, und dann, das ist auch gerade bei PEP und bei Michael Bohne so, dass da immer diese Großzügigkeit mit reinkommt, dann tolle Affirmationen zu bilden, die auf einmal auch wirklich erlauben, dass da was Tolles passiert und dass auf einmal die Situation ganz anders sein darf. Ich würde sagen, gerade PEP spielt dieser Witz und diese Sprache dann eine Rolle. Da darf sie auf einmal dann auch glänzen, da darf die Sprache dann auch so viel Heilsames bringen. Weil auf der körperlichen Ebene Sicherheit vermittelt wird, kann dann, glaube ich, die Sprache auch sehr viel anders wirken. Und bei Affirmationen wie „Jetzt erlaube ich mir Cabrio fahren“ oder „In tiefer Verneigung vor dem Werk meiner Ahnen erlaube ich mir, das Trauma zu überwinden“. Also da kommen Dinge mit rein, wo man oft wirklich so eine Gänsehaut bekommt. Und ich glaube, dass diese Kombination aus wirklich positivem Umgang mit Sprache und Freude und Spaß und gleichzeitig dieser körperlichen Regulation und diesem unglaublichen Humor, und dann noch diese Haltung von Leichtigkeit, die Michael Bohne immer so propagiert, also dass diese Kombination dann einfach wirklich zu einem Gegen-Erlebnis führt. Bei dieser emotionalen Erinnerung sagen die Forscher: Damit die sich ändern kann, muss ein Gegen-Erlebnis passieren, das mächtig genug ist, damit die Erfahrung aufgewogen wird. Und ich glaube, dass das halt tatsächlich durch dieses Gesamtkunstwerk dann passiert, oder passieren kann.


Ohler Eine ganz wichtige Geschichte nochmal zu gucken auf diese Wechselwirkung oder, traue ich mich zu sagen, Ko-Regulation von sprachlichen Möglichkeiten und dem, was dabei körperlich mit stattfindet. Sicherheit, Humor. Bei mir käme jetzt die Forschungsfrage auf: Gibt es sogar Wirkzusammenhänge, dass es akzeptierter wird, bestimmte sprachliche Ideen auszudrücken, die man vorher nicht kannte? Aber das ist ein ganz eigenes Forschungsthema.
Reden reicht nicht!? Ausrufezeichen, Fragezeichen. Da habe ich immer sehr viel wert drauf gelegt, dass das Fragezeichen dabei ist. Du hältst den Eröffnungsvortrag bei unserem Kongress im Oktober zu deiner Arbeit. Was würdest du, ganz offen, dir an Resonanz wünschen? Und was, glaubst du, wird die Leute am meisten durcheinanderbringen von dem, was du dort sagen wirst? Wo sie vielleicht sagen werden: Also habe ich das noch nie gesehen?


Pfeiffer Ich glaube, dass die größte Verwirrung durch diese Erinnerungs-Geschichte entsteht, weil es da um einen biologischen Vorgang geht, wo eine Erinnerung für 4 bis 5 Stunden in einen Zustand übergeht, wo sie veränderbar ist. Und das löst bei mir bis heute so ein komisches Gefühl im Gehirn aus. Straunen. Aber am Anfang hat das wirklich schlaflose Nächte produziert, weil ich diese Forschung gelesen habe und es einfach nicht begriffen habe. Es ist auch jetzt noch häufig so im Dialog, wenn ich das erzähle, eine Reaktion, dort in der Erinnerung muss so ein Prozess durchlaufen werden und der ist individuell auf das abgespeichert. Das kann man nicht in der Tube kaufen, sondern das muss wirklich zu diesem Erleben passen. Was ja auch irgendwie Sinn macht. Die größte Möglichkeit der Verwirrung liegt hier. Und an Resonanz wünsche ich mir immer ein Gefühl von Neugier. Vielleicht auch dieses Staunen und dass eben noch nicht alles komplett erforscht ist, sondern dass wir uns da gerade in einem Kontinuum an Forschung bewegen, wo immer neue Dinge zu einem Puzzle dazukommen. Und so einen liebevollen Blick darauf, was die Psychotherapie ist, wie viel sie erreicht hat. Also in der Herzchirurgie ist es total normal, dass Konzepte über den Haufen geworfen werden, oder in der Kardiologie, wo man sagt, okay, das Medikament wurde verbessert oder wurde verändert, dann sagt man auch nicht okay, also der, der das als erstes erforscht hat, der hat überhaupt gar keine Ahnung gehabt. Sondern man sagt, wow, der hat´s echt toll gemacht, weil er da nochmal so einen kleinen Baustein gefunden hätte, mal was Neues gebracht hat. Und einfach, dass wir uns dafür öffnen, dass das biologische Vorgänge sind, auch, gleichzeitig auch sprachliche, auch poetisch, dass das volle Spektrum von dem, was wir als Mensch sind, auch in der Therapie immer mehr Einzug hält. Und, ja, dass wir immer persönlicher werden mit den unterschiedlichen Schulen und uns eher beflügeln statt zu bekriegen.


Ohler Klares Statement. Ich hab da mal gehört, statt in Konkurrenz zu gehen in ein gegenseitiges Dienstleistungsverhältnis zu kommen.


Pfeiffer Ja, ja.


Ohler Trotzdem das hier ein spontanes Besuchs-Gespräch ist, möchte ich dir doch auch wieder zumuten, die Carl-Auer Sounds of Science Frage zu stellen. Auf der Reise hierher hast du vielleicht gedacht, wir treffen uns, wir sprechen heute neu, in ganz anderer Felder. Und jetzt ist aber vielleicht irgendetwas, von dem du gedacht hast, da würdest du gerne drüber reden, jetzt aber nicht gekommen. Oder es ist dir während des Gesprächs noch etwas eingefallen, es wird links abgelegt, und liegt da jetzt noch. Gibt es dann irgendwas, wo du sagen würdest, heute wird das noch angesprochen?


Pfeiffer Was ich noch mal ganz wichtig finde, ist: Die Klopf-Techniken wurden ja lange Zeit ein bisschen als etwas angesehen, was aus der Esoterik-Ecke kommt, also wo wir auf Akupunktur-Punkte klopfen und dann verändert sich was energetisch. Und so weiter und so fort. Und einfach zurückzutreten und zu sagen: Diese Worte definieren überhaupt nicht, was da passiert um. Und auch zu sagen – ich kenne mich jetzt besonders mit PEP aus – das ist eine Methode, die wirklich eine psychotherapeutische Methode ist und wo man nicht mehr sagen kann, das ist nix. Sich davon zu lösen und zu gucken: was passierte da eigentlich? Mit diesem Neugierfaktor Auch den Körper einfach als wichtigen Baustein in der Therapie anzuerkennen, ist etwas wo wir nicht drumherum kommen.


Ohler Eine Neuigkeit, wo wir vielleicht in 15 Jahren über ein anerkanntes Verfahren sprechen, von dem niemand glaubte, dass es je so sein wird. Sehr spannend. Na und du hast einen wesentlichen Beitrag dazu beigetragen. Wir wünschen uns und glauben auch daran, dass noch mehr kommt. Du bist im Juni schon in Konstanz Referentin beim Trauma-Crossover-Kongress von Gabriela von Witzleben, die ihn organisiert, auch in Zusammenarbeit unter anderen mit der Carl-Auer Akademie, Michael Bohne und mit Silvia Zanotta, Elfie Cronauer und Susanne Leutner.
Ich danke dir für den Besuch und freue mich jetzt, wenn wir noch mit den Kolleginnen und Kollegen weiteres ausprobieren können. Und freue mich aufs Wiedersehen auf beiden Kongressen und anderswo. Ich danke dir.