Lösung

engl. solution, franz. solution f; Lösung in der Bedeutung von Problemlösung konstituiert eine Unterscheidung (Problem/Lösung), in deren Kontext ein Problem, d. h. eine schwierig zu lösende Aufgabe, eine komplizierte Fragestellung, eine Schwierigkeit, erfolgreich bewältigt wird. Gerade im Wirkungsbereich professioneller Tätigkeiten wird in der Regel die Lösung von Problemen angestrebt, die von den Betroffenen, von den Professionellen und von andern Beobachtern als unerwünscht bezeichnet werden: psychische und körperliche (Körper) Krankheiten, Gewalt, Suizide, Rechtsvergehen etc. Hier stellt sich die Frage, wie diese Probleme möglichst effizient beseitigt (Behandlung) respektive verhindert (Prävention) werden können. Demgegenüber stehen zu bewältigende (lösende) Aufgaben, die gesellschaftlich (Gesellschaft) nicht »problematisiert« werden, sondern den Ausgangspunkt jeder Entwicklung darstellen. Ob wertbesetzt oder nicht: In beiden Fällen wird einer als unzureichend erlebten Gegenwart eine bessere Zukunft gegenübergestellt, wobei diese Zukunft selbst wieder Herausforderungen beinhaltet und die Lösungen selbst zu Problemen führen können, die bewältigt werden müssen.


Die enge Relation der Begriffe »Problem« und »Lösung« zeigt sich deutlich im systemtheoretischen (System) Funktionsbegriff, der sich aus dem Schema (der Unterscheidung) Problem/Lösung konstituiert. »Funktion« wird in der systemtheoretischen Fassung als Antwort eines Beobachters auf die Frage umschrieben, für welches Problem ein spezifisches Phänomen die Lösung darstellt (Fuchs 2000, S. 160). Der systemtheoretische Funktionsbegriff zeigt, dass der Begriff »Lösung« sich nicht unbedingt auf gesellschaftlich unerwünschte Phänomene beziehen muss, sondern ganz allgemein eingesetzt werden kann, wenn Lösung und Problem in einen Zusammenhang gestellt werden. So kann jede Systembildung als Lösung eines Problems oder mehrerer Probleme gedeutet werden – und sei es nur das Problem, das jeder Systembildung zugrunde liegt: das Problem der Reduktion von Komplexität, welche die Grundlage für den Aufbau von neuer Komplexität bildet (Luhmann 1994a, S. 47 ff.). Augenfällig ist dies bei den Funktionssystemen, die, wie in Niklas Luhmanns Konzept der funktionalen Differenzierung beschrieben (Luhmann 1997, S. 743 ff.), die Bewältigung von ganz spezifischen gesellschaftlichen Aufgaben übernehmen. So trägt die Politik nach der Auflösung der stratifikatorischen Ordnung des Mittelalters mit ihrem Prozessieren von mehrheitsfähigen Entscheidungen zur Lösung des Problems gesellschaftlicher Ordnung bei, während etwa die Wissenschaft unter kontrollierten Bedingungen Wahres von Unwahrem unterscheidet und so zur Lösung des Problems beiträgt, dass es unter der Bedingung funktionaler Differenzierung keine Instanz (wie vordem: Gott) mehr gibt, welche einen Anspruch auf eine allem übergeordnete Beobachterposition geltend machen kann. Mit der massenhaften Ausdifferenzierung von Organisationen wiederum reagiert die Gesellschaft auf das Problem, dass sich gesellschaftliche Ordnung ohne Hierarchie nicht ausreichend aufrechterhalten lässt, und führt damit einen hierarchisierten Systemtypus ein, der alle Gesellschaftsbereiche betrifft.


Der lösungs- und kompetenzorientierte Ansatz von de Shazer (de Shazer 2009) ist ein Beispiel für eine Reihe von »systemischen« Zugängen, die dafür plädieren, in beraterischen (Beratung), therapeutischen (Therapie) und anderen professionellen Problemlösungskontexten den Blick nicht nur auf die Probleme, sondern konsequent auf die Lösungen und dabei die Fähigkeiten und Ressourcen der Zielpersonen und Zielsysteme (auch Familien) zu lenken. Aus systemtheoretischer Sicht ist klar, dass dabei der Sprache eine zentrale Bedeutung zukommt. Ebenfalls ist klar, dass jedes System (sei das nun das psychische System eines Menschen, eine Familie oder eine Organisation) »sein« Probleme nur selbst lösen kann und Beratung, Therapie, Förderung und dergleichen immer nur als Versuche gesehen werden können, Lösungen wahrscheinlicher zu machen.


Wie bei den Ausführungen zum Begriff »Problem« erwähnt, bietet sich an, Begriffe wie »Problem« und »Lösung« (ähnlich wie »Gesundheit« und »Krankheit«) nicht als voneinander getrennte Absolutheiten zu verstehen, sondern als zwei Seiten einer Unterscheidung, die je nach Situation auf der Problem- oder der Lösungsseite genutzt werden kann. Das schließt die Möglichkeit ein, Probleme selbst als Lösungen zu verstehen und Lösungen als Probleme. Eine zu starke Fokussierung auf die eine oder andere Seite sollte vermieden werden, da ein Verharren auf den Problemen und ihrer Geschichte (einschließlich der Schuldfragen) das Finden von Lösungen behindert, während die ausschließliche Fokussierung auf Lösungen wichtige Ansatzpunkte für diese Lösungen verschleiert. Zuletzt soll noch – zumal im Hinblick auf Beratung und Therapie – erwähnt werden, dass Lösung und Problem nicht direkt zusammenhängen müssen (Lösungsfokussierung).


Verwendete Literatur


de Shazer, Steve (2009): Worte waren ursprünglich Zauber. Von der Problemsprache zur Lösungssprache. Heidelberg (Carl-Auer), 2. Aufl. 2010.


Fuchs, Peter (2000): Systemtheorie und Soziale Arbeit. In: Roland Merten (Hrsg.): Systemtheorie Sozialer Arbeit. Neue Ansätze und veränderte Perspektiven. Opladen (VS), S. 157–175.


Hafen, Martin (2007): Grundlagen der systemischen Prävention. Ein Theoriebuch für Lehre und Praxis. Heidelberg (Carl-Auer).


Luhmann, Niklas (1994a): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a. M. (Suhrkamp), 5. Aufl.


Luhmann, Niklas (1994b): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M. (Suhrkamp), 2. Aufl. 1994.


Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M. (Suhrkamp).


Weiterführende Literatur


de Shazer, Steve (2004): Das Spiel mit Unterschieden. Wie therapeutische Lösungen lösen. Heidelberg (Carl-Auer), 6. Aufl. 2009.