Problem

engl. problem, franz. problème m, ist eine »schwierig zu lösende Aufgabe; komplizierte Fragestellung; Schwierigkeit« (Duden 2007) und ist abgeleitet vom griech. problema = »das Vorgelegte; gestellte (wissenschaftliche) Aufgabe, die Streitfrage usw.« (ebd.). Probleme sind aus dieser Perspektive ganz alltägliche (Alltag) Aufgaben oder Herausforderungen, deren Bewältigung zu gesellschaftlicher (Gesellschaft) Entwicklung beiträgt, ja diese Entwicklung ausmacht. Dieser wertneutralen Fassung von Problem steht eine alltagssprachliche Bedeutung gegenüber, die bestimmte Probleme mit einer Bedeutung der Unerwünschtheit besetzt, was Aktivitäten der Problembeseitigung/Problemlösung (Lösung; i. e. S. im Kontext von Behandlung) und Aktivitäten der Problemverhinderung (Prävention) ins Blickfeld rückt. Ähnlich wie beim Begriff »Lösung« ausgeführt, ist der systemtheoretische Funktionsbegriff im Kontext der Unterscheidung Problem/Lösung formuliert. Funktionen sind, kurz gefasst, Problemlösungen, was die Untrennbarkeit von »Problem« und »Lösung« unterstreicht – impliziert doch jede Formulierung eines Problems die Notwendigkeit einer Lösung, so unwahrscheinlich eine solche auch sein mag.


Im Hinblick auf die professionelle Tätigkeit in Sozialer Arbeit, Psychotherapie (Psyche; Therapie), Heilpädagogik etc. sind vor allem die als unerwünscht bezeichneten Probleme relevant. Wichtig ist die Berücksichtigung des Umstandes, dass (auch) diese Probleme sozial konstruiert werden und dass diese Konstruktionen kontingent (also auch anders möglich; Kontingenz) sind. So lässt sich einfach zeigen, dass das Problem »Alkoholismus« eine Erfindung der Moderne ist. Die Vorstellung, reichlicher Alkoholkonsum könnte schädlich sein, existiert im Mittelalter schlicht nicht. Im Gegenteil: Tägliches Trinken und regelmäßiges Betrunkensein ist »ein Aspekt jeder guten medizinischen Beratung« (Nilson/Baker 1998, p. 19; Beratung). Das reformatorische Gedankengut und die Entwicklung der Psychiatrie haben neben anderen Faktoren dazu beigetragen, dass heute im Gegensatz zu früher ein Problem »besteht«, das ungeachtet seiner Konstruktivität heute zur »Wirklichkeit« (als konstruierter Realität) gehört (Hafen 2007, S. 176 f.).


Doch nicht nur die »sozialen« und medizinischen Probleme sind konstruiert, sondern auch ihre Zuordnung. Problemsysteme im Sinne von Kurt Ludewig (2000, S. 465 f.) wären in diesem Sinn Systeme, die sich selbst als problematisch beschreiben oder von anderen so beschrieben werden und die es von sich aus nicht schaffen, andere als die problematisierten Problemlösungen zu generieren, sondern – im Gegenteil – immer »mehr desselben« (Watzlawick). Davon abzugrenzen sind nach Ludewig (ebd., S. 467) die Lebensprobleme: subjektiv erlebte Lebensprobleme, die oft aus emotionalen Kränkungen hervorgehen und die die Kommunikation beeinflussen bis hin zur Entwicklung zum »Problemsystem«. Es geht also um Phänomene struktureller Kopplung von psychischen und Sozialsystemen.


Im Kontext des Bemühens um wenig Defizit- und mehr Lösungs- (Lösungsfokussierung) und Ressourcenorientierung hat sich in einigen professionellen Kontexten (gerade auch der Sozialen Arbeit) eine Tendenz zur Problematisierung des Problembegriffs ergeben, die aus methodischen Gründen bisweilen sinnvoll, funktional gesehen jedoch oft ungünstig ist. So ist kaum zu ersehen, was mit einem allgemein gehaltenen Begriff der Gesundheitsförderung gewonnen ist, wenn diese faktisch nichts anderes machen kann, als (wie die Prävention) mit ihren Maßnahmen das Auftreten von gesundheitsmindernden Faktoren zu verhindern, welche die Gesundheit beeinträchtigen (Hafen 2007, S. 94 ff.). Und auch die lösungs- und kompetenzorientierte Soziale Arbeit kann nicht darauf verzichten, die Ausgangsprobleme zu bezeichnen, die den Anlass für ihre Aktivitäten bilden. Dass es in der Folge anzeigt sein kann und oft angezeigt ist, nicht bei diesen Problemen und ihrer Geschichte zu verharren, sondern den Blick in die Zukunft und damit auf mögliche Problemlösungen zu lenken, versteht sich von selbst. Es bietet sich (wie immer) an, Begriffe wie »Problem« und »Lösung« nicht als voneinander getrennte Absolutheiten zu verstehen, sondern als zwei Seiten einer Unterscheidung, die je nach Situation auf der Problem- oder der Lösungsseite genutzt werden kann. Das schließt die Möglichkeit ein, Probleme selbst als Lösungen zu verstehen (Verstehen) und Lösungen als Probleme. Schließlich ist darauf zu achten, dass die Konstruktivität von Problemen neue Lösungsansätze auch über die Neudefinierung eines Problems ermöglicht oder, wie es Niklas Luhmann (1992, S. 423) mit Blick auf wissenschaftliche Problemstellungen ausdrückt:


»Man kann eine Zeit lang an falsch gestellten Problemen arbeiten – nur um dann feststellen zu müssen, dass man nur mit einer anderen Problemstellung zu Lösungen kommen kann.«


Verwendete Literatur


Nilson, Margareta a. Oswin Baker (Hrsg.) (1998): Evaluating drug prevention in the European Union. Papers arising from the First European Conference on the Evaluation of Drug Prevention held in Lisbon, Portugal, 12–14 March 1997. Luxembourg (Office for Official Publications of the European Communities).


Hafen, Martin (2007): Grundlagen der systemischen Prävention. Ein Theoriebuch für Lehre und Praxis. Heidelberg (Carl-Auer).


Ludewig, Kurt (2000): Systemische Therapie mit Familien. Familiendynamik 25 (4): 450–484.


Luhmann, Niklas (1992): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M. (Suhrkamp).


Watzlawick, Paul, John H. Weakland u. Richard Fisch (1974): Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels. Bern (Huber).


Weiterführende Literatur


Kleve, Heiko (2008): System als Problem. Eine Präzisierung der systemischen Perspektive. Potsdam (unveröffentl. Manuskript).


Scherr, Albert (2002): Soziale Probleme, Soziale Arbeit und menschliche Würde. Sozial Extra 6: 35–39.


Sidler, Nikolaus (1999): Problemsoziologie. Eine Einführung. Freiburg i. Br. (Lambertus).