Funktion

engl. function, franz. fonction f; bezeichnet eine Form der → Beobachtung, die Phänomene unter dem Gesichtspunkt von → Problem und → Lösung aufeinander bezieht. Im Gegensatz zum Zweckbegriff, der als Orientierungsschema die gezielte Suche nach Mitteln ordnet, eröffnet und begrenzt der systemtheoretische Funktionsbegriff als »regulatives Sinnschema« (Luhmann 1991, S. 14) Vergleichsmöglichkei­ten: Die funktionale Beobachtung fragt, welches Problem sich konstruieren ließe, als dessen Lösung das Beobachtete imponiert. Ansonsten unterschiedliche Phänomene (z. B. Ereignisse, Zustände, Handlungen, Leistungen, Sorgen, Wünsche, Pläne, Überzeugungen, Erklärungen) können so unter einem einheitlichen Aspekt verglichen und daraufhin untersucht werden, ob sie als Lösungsmöglichkeiten – als funktionale Äquivalente – infrage kommen, ob sie austauschbar sind, oder gar besser geeignet wären. Funktionsanalysen führen nicht, wie die klassische Kausalerklärung, Wirkungen auf Ursachen zurück, sie erklären nicht das faktische Vorkommen spezifischer Leistungen, sie haben vielmehr »den entgegengesetzten Sinn: auf andere Möglich­kei­ten hinzuweisen« (ebd., S. 16).


Damit werden Kausalerklärungen nicht in ihrem Erkenntniswert bestritten, sondern, als Beobachtungsleistung, eingeordnet als ein spezifischer Fall einer grundlegenderen »funktionalen Ordnung« (ebd.), der mit Alternativen verglichen werden kann.


Allgemein wird der Vergleichsbereich infrage kommender Alternativen durch die Klärung von Systemreferenzen begrenzt: Probleme sind, unter systemtheoretischen Voraussetzungen, stets → Systemprobleme. Insofern besteht der heuristische Wert der funktionalen Betrachtung nicht erst im Vergleichen (denn das geht immer. Man kann Birnen mit Äpfeln vergleichen oder mit Verkehrsschildern), sondern in der hypothetischen → Konstruktion von Systemproblemen. Problemkonstruktionen ordnen nicht Beliebiges, sondern Systemstrukturen und Prozesse: welche Systeme (etwa: die → Familie, das Unternehmen oder die Beteiligten?) haben das Problem, welche nicht? Die funktionale Analyse ist in diesem Sinne eine Methode, »mit deren Hilfe die Theo­rie die ›Erzählungen‹ generiert, die sich (im Unterschied zu ihr selbst) testen lassen« (Fuchs 2003, S. 206).


Während, etwa in der Welt der → Beratung, die Beobachtung von »Dysfunktionalität« sich an einer Ontologie gegebener Soll-Ziele oder Zwecke zu orientieren neigt, bietet der systemtheoretische Funktionsbegriff einen Perspektivenwechsel an: Ein fragliches, z. B. unerwünschtes Verhalten ist dann nicht einfach nur defizitär im Hinblick auf selbstverständliche Zwecke oder auf vorab – d. h. als Momente einer unterstellten conditio humana – eingebaute »Funktionen« (dann verstanden als zu bewirkende Wirkung), sondern durchaus funktional: Beratung kann dann dazu beitragen, zu klären, auf welches (noch nicht gesehene) Problem sich das fragliche Verhalten als Lösung beziehen lässt: Welches Problem hat ein Bewusstseinssystem oder ein Familiensystem nicht mehr, indem sie »dieses« Problem haben?


Verwendete Literatur
Fuchs, Peter (2003): Die Theorie der Systemtheorie – erkenntnistheoretisch. In: Jens Jetzkowitz u. Carsten Stark (Hrsg.) (2003): Soziologischer Funktionalismus. Wiesbaden (Springer VS), S. 205–218.
Luhmann, Niklas (1991): Funktion und Kausalität. In: ders. (Hrsg.): Soziologische Aufklärung 1. Opladen (Westdeutscher Verlag).


Weiterführende Literatur
Fuchs, Peter (2011): Die Verwaltung der vagen Dinge: Gespräche über die Zukunft der Psychotherapie. Heidelberg (Carl-Auer Verlag).
Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Frankfurt a. M. (Suhrkamp).