Metapher

engl. metaphor, franz. métaphore f, von griech. metaphora = »Übertragung, Transport«. Der Begriff aus der antiken Rhetorik bezeichnet den Gebrauch eines Begriffs für einen Sachverhalt aus einem anderen Kontext: Zwischen den Strukturen der angesprochenen Situation und den Strukturen dessen, was der aus einem anderen Erfahrungsbereich herangezogene Begriff bezeichnet, wird eine Analogie hergestellt, ohne dass die übereinstimmenden Elemente genau bezeichnet würden. In der systemischen (System) Beratung wird der Begriff »Metapher« oft ausgeweitet auf komplexe (Komplexität) Sprachbilder wie Gleichnisse und Fabeln und auf ganze Begriffsfelder (»metaphorische Konzepte« nach Lakoff u. Johnson 2003). Die klassische Abgrenzung von Begriffen wie »Symbol«, »Allegorie«, »Metonymie« und »Parabel« wurde hier vielfach aufgegeben. Der therapeutische (Therapie) Gebrauch von Metaphern ist beeinflusst durch die Auseinandersetzung mit Paul Watzlawick, Milton Erickson (rezipiert u. a. in Hypnosystemik, Hypnotherapie, neurolinguistischem Programmieren), mit orientalisch-weisheitlicher Erzählkunst und mit Märchen. Methodisch ist zu unterscheiden zwischen der Nutzung von Metaphern, die die Klienten einbringen, und der Entwicklung von Metaphern durch die Beratenden.


Ressourcenorientierte Metaphern der Klienten können durch systemische Fragen bearbeitet werden: »Wie weit ist denn Ihr ›Licht am Ende des Tunnels‹ noch entfernt? Wie nähern Sie sich ihm? Wann könnten Sie dort sein?« Problem-Metaphern (also defizitorientierte Bilder) werden nach »Regel-«, »Ausnahme-« oder »Trickfilmlogik« zu Lösungs-Metaphern (ressourcenorientierten Bildern) umgedeutet. Diese Umdeutung erfolgt auf der Bildebene innerhalb der wörtlich genommenen Metaphern.


Nach »Regellogik« werden die fest vorauszusetzenden Ressourcen des vom Klienten angebotenen Bildes ausgelotet: »Sie sind ›gefangen‹, sagen Sie. Was meinen Sie, wie lange müssen Sie noch sitzen, bei guter Führung? Was könnte zu einem Freispruch oder einer Strafumwandlung führen?« Nach »Ausnahmelogik« werden innerhalb des Bildes nützliche Sonderfälle gesucht: »In unserem Gefängnis sind einmal zwei ausgebrochen, mit Loch in der Mauer und Bettlaken. Die hat man nie wieder gefunden.« Nach »Trickfilmlogik« kann das Bild frei verändert werden: »Genau genommen, sind nicht Sie in einem Gefängnis, sondern das Gefängnis ist ein Film in Ihrem Kopf. Das heißt, Ihr innerer Regisseur kann den Film auch ändern. Woraus sind bisher die Mauern, und woraus hätten Sie sie gerne? Wo möchten Sie gern die Schlüssel haben?« Das veränderte Bild schafft ein verändertes Erleben und Verhalten in der Situation, die die Metapher kommentiert. Die auf der Bildebene neu ermöglichte Haltung gegenüber der erlebten Realität kann durch zirkuläres Fragen (Zirkuläres Fragen) gefestigt werden: »Wenn Sie sich jetzt draußen vor der Haftanstalt sehen, welchen Unterschied macht das für Ihr Erleben?«


Im Vergleich zu Beispielgeschichten (wie Berichten von Lösungen anderer Klienten) erfordern metaphorische Sprachbilder beim Klienten eine größere Transferleistung, da ein komplexes Geflecht sinnbildlich (Sinn) dargestellter Problem- und Lösungsaspekte mit den Gegebenheiten des real erlebten  Problems und seiner unentdeckten Lösungspotentiale abzugleichen ist. Für die Beratung ist


»die Beziehung zwischen Utilisation und Metapher grundlegend: Eine wirksame therapeutische Metapher muss aus der Vielfalt an Informationen und Verhaltensweisen herausgearbeitet werden, die [der Klient] bewusst und unbewusst anbietet« (Mills u. Crowley 1998, S. 66; vgl. Hammel 2011, S. 259 f.; Utilisation).


Metaphorische Geschichten können als inszenierte Träume verstanden werden, in denen Ressourcen versinnbildlicht, entdeckt und entwickelt werden. Der Transfer in die Lebenswelt des Klienten erfolgt großenteils im Bereich des Unbewussten. Umgangen werden Unterbrechungen des kreativen Suchprozesses durch Restriktionen im bewussten Denken (Skepsis, gedankliche Tabus, »Ja-aber«-Haltung). Die Lösungsfindung vollzieht sich vom Problem »einen Schritt versetzt« (Zeig 1995, S. 89; vgl. Hammond 1990, pp. 36 ff.), in einem als stressfrei erlebten Bereich, der als Modell des vom Klienten geschilderten Problems fungiert.


Unterschieden werden können metaphorische Sprachbilder mit Handlung (Geschichten, Parabeln) und ohne Handlung (Beschreibungen, Aufzählungen). Bei Ersteren sind drei Grundformen zu unterscheiden: Positiv-, Negativ- und Suchmodelle. Positivmodelle sind Geschichten mit einem guten Ausgang, die den Weg vom Problem zur Lösung versinnbildlichen. Zu beachten ist, dass dem Klienten genügend Raum für den Transfer bleibt, dass die Geschichte also nicht belehrend wirkt. Negativmodelle sind Modelle mit katastrophalem Ausgang. Zu vermeiden ist, dass die implizierte Warnung Abwehrstrategien des Klienten verstärkt und so das Ausgangsproblem verschlimmert. Suchmodelle sind vom Moment des Rätselhaften dominiert. Sie erzeugen in besonderem Maß eine Fragehaltung, sodass der Klient sich verstärkt der Suche nach wirksamen Lösungsansätzen widmet (Einteilung nach Hammel 2006, S. 159 f., in Anlehnung an Watzlawick, Beavin u. Jackson 1971, S. 74 ff. und Bandler u. Grinder 1998, S. 178 f.).


Verwendete Literatur


Gordon, David (2005): Therapeutische Metaphern. Über die veränderungsfördernde Wirkung von Metaphern. Paderborn (Junfermann).


Hammel, Stefan (2006): Der Grashalm in der Wüste. 100 Geschichten aus Beratung, Therapie und Seelsorge. Nierstein (Impress).


Hammel, Stefan (2009): Handbuch des therapeutischen Erzählens. Geschichten und Metaphern in Psychotherapie, Kinder- und Familientherapie, Heilkunde und Beratung. Stuttgart (Klett-Cotta).


Hammel, Stefan (2010): Von Möwenfelsen und Felsenbirnen. Aufbruchsgeschichten für Kinder und Jugendliche. Familiendynamik 2: 136–143.


Lakoff, George u. Mark Johnson (2003): Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern. Heidelberg (Carl-Auer), 10. Aufl. 2021.


Mills, Joyce C. u. Richard J. Crowley (1998): Therapeutische Metaphern für Kinder und das Kind in uns. Heidelberg (Carl-Auer), 5. Aufl. 2021.


Weiterführende Literatur


Bandler, Richard u. John Grinder (1998): Therapie in Trance. Neurolinguistisches Programmieren (NLP) und die Struktur hypnotischer Kommunikation. Stuttgart (Klett-Cotta).


Hammond, Corydon (1990): Handbook of hypnotic suggestions and metaphors. New York/London (Norton).


Watzlawick, Paul, Janet Beavin u. Don Jackson (1971): Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. Bern/Stuttgart/Wien (Hans Huber).


Zeig, Jeff K. (1995): Einzelunterricht bei Erickson. Hypnotherapeutische Lektionen bei Milton H. Erickson. Heidelberg (Carl-Auer), 6. Aufl. 2020.