Unterscheidung

engl. difference, frz. difference, siehe auch differance (Derrida). Bateson (1979) definiert Information als einen Unterschied, der einen Unterschied macht. Ähnlich spricht Spencer-Brown (1972) von der Einheit von Unterscheidung und Bezeichnung als Operation der Beobachtung.


Im systemischen Denken wird davon ausgegangen, dass Systemen ihre Umwelt nur durch Beobachtung zugänglich ist. Diese ist eine aktive Konstruktionsleistung. Jede Beobachtung ist die Unterscheidung und Bezeichnung eines Elements in der Umwelt von etwas anderem, das nicht bezeichnet wird (Spencer-Brown: »unmarked space«). So sehen wir beispielsweise einen Stuhl, indem wir diesen Stuhl von der Umgebung (Tisch, Boden, Wände, Tür, Lampe, etc.) isolieren. Gäbe es nichts, von dem wir den Stuhl unterscheiden könnten, so könnten wir den Stuhl nicht als Stuhl bezeichnen. Wir sehen die Farbe Blau, weil wir sie von anderen Farben unterscheiden, die wir in jenem Moment, da wir Blau sehen, jedoch nicht bezeichnen.


Damit ist Unterscheiden die grundlegende Operationsweise von Sinnsystemen. Erst durch die ständig ablaufende Unterscheidung und Bezeichnung von Elementen in ihrer Umwelt, gewinnen Systeme ihre eigenen Grenzen. Alle Unterschiede, die nicht vom System hervorgebracht werden, haben keinen Informationswert und sind damit (für das System) keine Unterschiede, die einen Unterschied machen. So gibt es etwa Infrarotlicht. Weil unsere Augen es jedoch nicht sehen, macht es für unser Auge keinen Unterschied. In der Praxis verweist der Begriff der Unterscheidung immer auf die Beobachterabhängigkeit eines Sachverhalts. Jede Aussage ist eine Unterscheidung, die durch einen Beobachter vorgenommen wird und auch anders getroffen werden kann. Unterscheidungen halten Problemsysteme am Laufen. Sie ermöglichen jedoch auch Lösungen, wenn sie anders getroffen werden. Systemische Therapie und Beratung arbeiten daran, in Systemen einen Unterschied zu machen, der einen Unterschied macht, also für das andere System relevant ist. Sie spekulieren darauf, dass Systeme Unterscheidungen anders treffen als dies in der gegenwärtigen, problematischen Situation geschieht.


So zielen viele Methoden darauf ab, problematische Unterscheidungen aufzulösen oder alternative Unterscheidungen anzubieten (etwa Reframing, narrative Methoden oder Reflecting Team [Reflektierendes Team, Reflektierende Position]). Geradezu paradigmatisch ist diese Idee methodisch im zirkulären Fragen (Zirkuläres Fragen), Ausnahme- und Copingfragen umgesetzt. Die zirkuläre Frage verweist nicht nur darauf, dass jede Unterscheidung von jemandem getroffen wird (z. B. »Wer sagt, dass sie depressiv sind?«). Ausnahmefragen verweisen auch darauf, dass Unterscheidungen stets situative Zurechnungen sind, die durch die Struktur unserer Sprache als feste Eigenschaften angesehen werden (»Sind sie auch depressiv, wenn sie schlafen?«). Auch zeigen sie auf, dass in jeder bestehenden Unterscheidung implizite Vergleichshorizonte anliegen, die anders angelegt werden könnten (etwa durch die Trennung von Erklären, Bewerten und Beschreiben).


Verwendete Literatur


Bateson, G. (1979): Mind and nature. A necessary unity. New York (Dutton).


Spencer-Brown, G. (1972): Laws of Form. New York (Bantam Books).