Was ist an erotischen Fantasien eigentlich anstößig?
„Die Erotik ist sublimierte Sexualität: Metapher. Agens der erotischen wie des poetischen Aktes ist die Imagination. Sie ist die Kraft, die den Sexus in Zeremonie und Ritus verwandelt …“ – Dieses Zitat von Octavio Paz hat Angelika Eck über eines der zentralen Kapitel ihres Buches „Der erotische Raum – Fragen an die Sexualität in der Therapie“ gestellt. Das Kapitel trägt die Überschrift „Fantasien in der Therapie – Minus und Plussymptome als Zugang zur erotischen Entwicklung“.

Für die bekannte Sexualtherapeutin bieten erotische Fantasien immer einen Zugang zu einem tieferen Verständnis  für die eigene Erotik und das darauf bezogene Begehren oder Nicht-Begehren. Sie unterteilt die Klientinnen dabei in Frauen mit zu wenigen (Minussymptome) und Frauen mit zu ausgeprägten Fantasien (Plussyptomen). Je nach Auftrag können Fantasien somit selbst Anlass für Therapien werden oder durch ihre Abwesenheit zum Anlass für eine therapeutische Intervention werden.

Unter der Überschrift „Menschen erzählen, welche sexuellen Fantasien sie in der Beziehung verheimlichen“, hat die ZEIT ihre Leser zum offenen Umgang mit ihren erotischen Fantasien ermutigt, wenn nicht gegenüber ihren Partnern, so doch gegenüber einer auflagenstarken Wochenzeitung und nachgefragt. Herausgekommen ist ein freizügiges, bisweilen pornografisches Sammelsurium aus inneren Wunschbildern, die alle möglichen Schlüsse zulassen mögen, vor allem aber den einen, dass erotische Fantasien zu haben, höchst normal ist, für Frauen wie für Männer. 

Carl-Auer-Literaturtipp:
Angelika Eck (Hrsg.): „Der erotische Raum – Fragen an die Sexualität in der Therapie“
Ulrich Clement: „Dynamik des Begehrens – Systemische Sexualtherapie in der Praxis“