Das Kulturelement Herrschaftsfreie Kommunikation

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WORK IN PROGRESS

Theorie und Praxis, das Wissen und Können rund um "Gewaltfreie Kommunikation", Übungen der Achtsamkeit und Empathie: Sie wirken rückblickend seit mindestens 100 Jahren zynisch. Dominant ist das Interesse an Streit, Eskalation, Krieg und der Industrie des Debriefings. Das Gelingen von Ausnahmezuständen und "Affektiver Polarisation" ist mega gut für die Businessmodelle der Dickhäuter. Von Journalismus, über Politik bis zur Acquise von Drittmitteln in der Universität. Die Gleichen verweisen bei ihrem leicht zu beobachtenden Tun auf den grauenvollen "Hass im Internetz" als der Quelle allem Bösen und nennen ihre Diagnose grad auch noch "wissenschaftlich".

Dass Problemlösungen - auch und insbesondere die erfolgreichen - dazu neigen, das Problem selbst zu werden: Paul Watzlawick hat es 1974 in "Change", (1975 in deutsch: "Lösungen") als sein berühmtes "6. Axiom" nachgeschoben:

Sozialer Wandel folgt "1. Ordnung" oder "2. Ordnung"

Dass ausgerechnet die vielen Ansätze im Kontext der "Übungen der Achtsamkeit" in den Fokus des Problematischen kommen konnten, ist leicht nach zu vollziehen: Allesamt mussten sie akzeptieren, dass es tatsächliche Notsituationen, wirkliche Katastrophen, reale Krisen gibt, in welchen die "Bottom-Up"-Kommunikation ganz freiwillig und aus einsichtigen, praktischen, sinnvollen Gründen einer "Top-Down"-Kommunikation weicht und abseits stehend darauf wartet, das Debriefing zu übernehmen.

Neben dem Aspekt, dass die "unheilige Allianz" nicht von der Hand zu weisen ist, besteht die gut dokumentiere Beobachtung, dass sich ein einmal eingeführter Krisenmodus gerne und stabil zu etablieren vermag. Hier noch einmal die schöne, erfolgreiche, wichtige Lösung:

 

Aspekt Top-Down ("gewaltvoll") Bottom-Up ("gewaltfrei")
Ziel der Kommunikation Direkte und klare Befehlsgebung Verbindung und empathische Unterstützung
Ton und Sprache Autoritär und direkt Wertschätzend und einfühlsam
Zuhören und Feedback Kontrolle und Überprüfung Verständnis und Empathie
Fokus der Kommunikation Mission und operative Effizienz Individuelle Gefühle und Bedürfnisse
Zweck der Rückmeldung Sicherstellen der korrekten Umsetzung Unterstützung und Verbesserung
Hierarchie und Struktur Strenge Befehlskette Offene Kommunikation und Teamarbeit
Adaptionsfähigkeit Anpassung an operative Bedürfnisse Anpassung an individuelle Bedürfnisse von Menschen und Gruppen von Menschen
Effekte auf Beziehungen Beruht auf formaler Autorität Beruht auf Vertrauen und Wertschätzung
Kontexte Militärische Operationen, Krisen, Notfälle Alltagskommunikation, Projektmanagement, zwischenmenschliche Beziehungen

 

Einer der bis heute ärgerlichsten Sätze von Niklas Luhmann, mit welchen leicht Expert:innen der Kommunikation verärgert werden können, lautet so hintertrieben schenkelklopfend, als wärs ein Watzlawitz:

"Kommunikation kommunziert, nicht Menschen."

Der Satz ist so intuitiv wie verstörend. Bis heute. Und er eröffnet elegant einen Zugang zu einem Unterschied, welcher einen praktischen Unterschied macht und viele Systemtheorien ihrer Zeit geteilt haben. Es stimmt nämlich einfach nicht, dass nur die "Organismus-Analogie", welchen den Menschen zum Ausgangspunkt aller Überlegungen nimmt, für die Menschen der eingänglichste, einfachste, natürlichste Zugang zur Welt darstellt. Ganz im Gegenteil:

  • Wenn der Mensch stirbt, kann dieser in die Erde gelegt werden und wird dort, was der Körper immer war: Natur. (#Bio)
  • Ein jeder Mensch muss mit dem Verziehen des Gesichts, mit dem Fuchteln der Arme, mit der Intensität von Jammern, Weinen und Schreien anzeigen, wie sich ein Schmerz anfühlt: Ein Copy/Paste von Gedanken, Gefühlen, Empfindungen von einem Menschen zu einem anderen Menschen ist bis heute nicht möglich. (#Psy)
  • Dass eine Maschine - sagen wir #chatGPT4, weil dies aktuell grad hip ist! - durchaus feststellen kann, dass ihre Ausgabentexte innerhalb eines Gedankenkorridors liegen, kann leicht gezeigt werden: Ob das Gefühle auslöst, wie wenn Menschen ähnliche Bedenken bemerken, ist nicht zu klären. (#Cyb)
  • Wenn Menschen miteinander reden, können sie nicht vergessen, dass die von ihnen benutzte Sprache nicht ihnen gehört, nicht von ihnen kontrolliert und bestimmt werden können. Die genutzten Zeichen, können auch Maschinen nutzen und selbst Tiere, Häuser, Berge, Wolken können sich durchaus konsonant verständigen. (#Soz)

Der Verweis auf vier autopoietische Systeme UND (zweitens) nur diese vier Systeme als autopoietisch zu akzeptieren UND (drittens) jede Vermengung, Vermischung oder Verschwurbelung der vier autopoietischen Systeme streng zu vermeiden, mag ein etwas theoretischer Entscheid sein. Aber doch nicht weniger als jener, "den Menschen im Mittelpunkt" zu halten. Immerhin: Der Übergang vom Menschen zu seiner Umwelt lässt sich nicht als Selfie auf Instagram posten, sondern liegt tief im Körper-Inneren.

Der Vorteil dieses speziellen Kommunikationsbegriffs, welcher Niklas Luhmann in wissenschaftlich erwünschter Präzision gesetzt hat, ist aber evident: Das Zauberwort heisst Kontingenz. (Vergl. dazu: Gitta Peyn: Kontingenz | Kulturelement: Fokus | Peter Fuchs: Beobachtung | Maren Lehmann: Erwartung)

Für alle, welche am Sozialen Arbeiten ist damit die ideale Ausgangslage geschaffen, zu beobachten, was "die Soziale Frage" interessiert: die Verhältnisse von Macht. Traditionell beobachtet Soziale Arbeit (nicht nur in der Tradition von Silvia Staub-Beransconi) vier Dimensionen:

  1. Herrschaft (Konstellation von Menschen)
  2. Schichtung (Konstellation von Dingen)
  3. Legitimation (Konstellation von Werten)
  4. Durchsetzung (Konstellation von Gewalt)

Was auch immer sich durchsetzt, wird von der Tatsache, dass es sich auch anderes hätte durchsetzen können beobachtet und gnadenlos kritisiert.

"Gewaltfreie Kommunikation" is just 2 little "Herrschaftsfreie Kommunikation" (so?) 

Der entscheidende Unterschied zwischen "gewaltfreier" und "herrschaftsfreier" Kommunikation liegt darin, dass "herrschaftsfreie" Kommunikation nicht nur auf die Vermeidung von Gewalt zielt, sondern auch auf den Abbau von hierarchischen Strukturen und Machtgefällen in der Kommunikation. Während "gewaltfreie" Kommunikation sich darauf konzentriert, eine gewaltfreie und empathische Sprache zu verwenden, geht "herrschaftsfreie" Kommunikation darüber hinaus und strebt eine gleichberechtigte und partizipative Kommunikation an, bei der keine Einzelperson oder Gruppe unverhältnismäßige Kontrolle oder Einfluss hat.

Vergl. Das Kulturelement #SmartSetting
Vergl. Das Kulturelement #Xerokratie
Vergl. Das Kulturelement #CommunityCare
Vergl. #Das Kulturelement #OpenJust2littleFree (Work in Progress)

Die Einhaltung der drei Kriterien von #SmartSetting kann eine herrschaftsfreie Kommunikation ermöglichen, weil sie eine offene, partizipative und gleichberechtigte Kommunikationsumgebung schafft, in der keine Einzelperson oder Gruppe unverhältnismäßige Kontrolle oder Macht über andere hat. Eine Adaption der Begründung für jeden der drei Kriterien:

1. Computer mediated Communication:
Die Nutzung von technischen Mitteln zur Kommunikation ermöglicht eine Entkoppelung von hierarchischen Strukturen, die oft in Face-to-Face-Kommunikationen auftreten. Alle TeilGebenden haben die gleichen Möglichkeiten, ihre Stimme zu erheben und ihre Meinungen und Ideen einzubringen, unabhängig von ihrer sozialen Stellung oder ihrem Status.

2. Acceptance to work on a common Question:
Die Akzeptanz, an einer gemeinsamen Frage oder einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten, fördert die Zusammenarbeit und das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Es reduziert Konflikte und Konkurrenz und ermöglicht es den Menschen, sich auf das gemeinsame Ziel zu konzentrieren und zusammenzuarbeiten, anstatt um Macht oder Kontrolle zu kämpfen.

3. Commitment without binding:
Die Freiwilligkeit und das Fehlen von Zwängen in der Teilnahme schaffen eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit. Die Menschen fühlen sich ermutigt, ihre Ideen und Bedenken frei zu äußern, ohne Angst vor Repressalien oder Konsequenzen zu haben. Dadurch entsteht eine Kultur des Respekts und der gegenseitigen Wertschätzung.

Zusammen bilden diese drei Kriterien eine Grundlage für eine herrschaftsfreie Kommunikation, indem sie Hierarchien und Machtstrukturen "smart" - also jederzeit unterlaufbar - halten und eine Umgebung schaffen, in der alle TeilGebenden - egal ob Mensch oder Maschine - gleichberechtigt, themen- und inhaltsfokussiert ihre Stimme einbringen können. Selbstverständlich ist zu betonen, dass auch technische Infrastrukturen und Softwarearchitekturen herrschaftsfördernde Elemente enthalten. Genau darum ist das Kulturelement "#OpenJust2littleFree" so wichtig.

Vertiefungen?

- Das Fallbeispiel Wikipedia/Wikidata: NZZ, 18.04.2020 | ohne Aboschranke
- An der 3. #FiastaDaBulius - ein Pilzfestival in der Region, in welcher ich mitten in den Schweizer Alpen lebe und an der "Metapher vom Myzel" arbeite - biete ich einen Workshop an, in welchen "Xerokratische Aktionsformen" entwickelt werden... 
- Wir reden nicht nur über #SmartSetting: Wir arbeiten "dominant" in diesem kommunikativen Setting. (Ja. Auch wir leben nicht nur von Luft & Liebe ;-)