Greta Thunberg

Manchmal (selten genug) nehme ich die Anregungen der Leser dieses Blogs auf, hier ein bestimmtes Thema zu behandeln. Ich solle doch mal was über Greta Thunberg schreiben - dieses 16jährige Mädchen aus Schweden, das den freitäglichen Schulstreik erfunden hat, um das Klima zu retten - war solch eine Aufforderung.


Nun gibt es unterschiedliche Aspekte, wie auf sie bzw. das von ihr ausgelöste Phänomen freitäglicher Schulstreiks zu schauen ist (die ich hier natürlich nicht alle behandeln kann). Ich werde zwei Aspekte herauspicken: den Schulstreik (betr. soziales System) und Greta (betr. psychisches System).


Fangen wir mit dem Schulstreik an. Er ist - meine Bewertung als erfahrener Schulschwänzer - ganz großartig: dass sich Schüler für ein politisches Ziel auf die Strasse begeben, ist ein gutes Zeichen. Sie setzen eindeutig Prioritäten: nicht der - sowieso meist nicht sehr relevante - Stoff des Unterrichts am Freitag vs. ihre Zukunft (- sie haben offensichtlich den Satz der alten Römer kapiert: nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir). Wenn nun Kulturpolitiker sich darüber aufregen, dann mag das im Einklang mit deren Rolle bzw. der Durchsetzung der Schulpflicht stehen, aber es verkennt den Punkt, um den es m.E. eigentlich geht: Relevanz, Bewertung, Prioritätensetzung bei Entscheidungen, Sinnfragen. Und da sind - wie ich von den Wittener Studenten weiss - Schüler und Studenten ganz gut unterwegs, d.h. sie stellen sich in Bezug auf ihr Leben diese Fragen.


Ein paar Worte zu Greta: Ihr wurde im Alter von 11 Jahren ein Asperger-Syndorm attestiert. Solch ein Diagnose erwirbt man sich am besten, indem man den Eindruck mangelnder sozialer Sensibiltität erweckt. Ich weiss nicht im geringsten, was bei Greta da los war und wie sie das geschafft hat. Aber mir scheint ganz allgemein, dass mangelnde soziale Sensibiltät womöglich eine gute Voraussetzung sein könnte, sich allein auf den Weg zu machen, die Klimakatastrophe zu verhindern. Wahrscheinlich sind ja alle wahren Innovationen und Revolutionen daran gebunden, dass Menschen ihre mangelnde soziale Sensibilität nutzen, um etwas "Unerhörtes" zu tun. Denn die Folge einer "normalen" sozialen Sensibilität ist ja üblicherweise Anpassung an soziale Erwartungen. Dann geht man eben in die Schule, auch wenn einem eigentlich andere Fragen oder Engangements wichtiger wären. Dann will man nicht auffallen, weil man negative soziale Folgen fürchtet.


Die Gesellschaft erhält ihre Struktur dadurch, dass die meisten Menschen sich bzw. ihr Verhalten an ihren Erwartungen der Erwartungen anderer Menschen orientieren. Auf diese Weise bleiben soziale Spielregeln erhalten. Revolutionen oder auch nur Innovationen oder ein Protest gegen den Status quo wie der von Greta erfordern daher den Mut zu abweichendem Verhalten - oder aber, dann ist es einfacher, ein mangelndes Bewußtsein der sozialen Erwartungen. Wenn eine Schülerin sich - ohne durch die Angst vor Ausgrenzung oder andere Sanktionen - rational mit der Frage des Klimawandels beschäftigt, dann wird ihr zwangsläufig klar, dass es besser ist, am Freitag auf den Turnunterricht (oder welchen auch immer) zu verzichten, um gegen eine verfehlte, weil kurzsichtige, Umweltpolitik zu demonstrieren.


Also Kinder: Schwänzt die Schule, geht auf die Barrikaden!