Kern-Inkompetenzen

Das Konzept der Kernkompetenzen erfreut sich unter Managern und Beratern einer großen Beliebtheit, um die speziellen Fähigkeiten eines Unternehmens, seine Alleinstellungsmerkmale und strategische Optionen etc. zu erfassen. Das dürfte im Bereich der Unternehmensführung auch sinnvoll und nützlich sein.


Was das (Über-)Leben einzelner Menschen angeht, so scheinen mir Zweifel angebracht, ob die Übertragung solch betriebswirtschaftlicher Modelle wirklich einen Gewinn erbringt. Ganz im Gegenteil: Wenn ich mich selbst und mein Leben anschaue, so war es viel günstiger meine Kern-Inkompetenzen zu pflegen. Denn anders als Unternehmen werden wir als menschliche Individuen in soziale Systeme hineingeboren (= Familien), die uns vom ersten Tag an beobachten und mit ihren Erwartungen behelligen. Wir sind eingesponnen in ein Netz von Verpflichtungen, Versprechungen (die wir gar nicht selbst gemacht haben, deren Erfüllung aber gefordert wird), moralischem Druck, sozialen Konventionen. Dauernd sollen oder müssen wir etwas tun, für das wir eigentlich keinerlei eigene Motivation besitzen. (In Organisationen bekommt man deswegen ja auch Geld als Entschädigung dafür, dass man es trotzdem tut.)


An dieser Stelle schützen nur die individuellen Inkompetenzen davor, sein Leben mit Tätigkeiten zu verschwenden, deren Ziele sich andere ausgedacht haben. Wenn man etwas nicht kann, dann erwartet auch keiner, dass man es tut... (und deswegen wird man in Organisationen ja auch nach der Probezeit wieder entlassen).


Von mir würde z.B. nie jemand erwarten, dass ich zu Weihnachten Lieder auf dem Klavier spiele (oder auch nur singe)... Ich kann auch keine Geschenke einpacken. Deswegen habe ich heute frei. (Nur gut, dass ich die Probezeit überstanden habe und meine Kern-Inkompetenzen akzeptiert und toleriert sind.)