Kulturelle Identität

Spätestens seit die Million Migranten bei uns angekommen sind, wird viel über kulturelle Identität gesprochen, von Heimat, den Gefahren des Islam(ismus) etc.


Wenn man sich ein wenig mit der Frage beschäftigt, wie individuelle und kulturelle Identität gebildet und aufrechterhalten werden, so ist klar, dass die Innen-außen-Grenze zu ziehen und zu erhalten ein wichtiger Schritt dazu ist. Es ist relativ leicht ein Konsens in der Frage zu finden, gegen wen man ist und wer oder was man nicht sein will: keine Gesellschaft, in der Frauen keine Rechte haben und vollverschleiert durch die Stadt laufen müssen, Ungläubigen der Kopf abgeschlagen wird, Intoleranz herrscht usw. Da kann fast jeder ja sagen... Aber zu wissen und zu sagen, dass man nicht nach Mekka pilgern, weiterhin Schweinefleisch essen will, Frauen achtet usw., macht einen noch nicht zu einem Katholiken. Da muss man dann schon aktiv werden und bestimmte Verhalensweisen realisieren: Sonntags in die Kirche gehen, beichten, an der Kommunion teilnehmen, mit den Kindern abends das Nachtgebet sprechen, für Misereor spenden, nach Altötting pilgern usw.


Zur persönlichen und kollektiven Identitätsbildung gehört nicht nur die Ablehnung von Werten und Sitten, sondern das aktive Praktizieren bestehender Werte und Sitten (was, nebenbei bemerkt, nicht wirklich dadurch bedroht ist, dass andere Leute anderes tun, z.B. kein Schweinefleisch essen oder nach Mekka pilgern).


Auf der Negativdefinition - die inhaltsleer ist -, d.h. auf dem Wissen, in welcher Art von Gesellschaft man nicht leben will, beruht die Strategie der Populisten. Das allein macht sie aber noch nicht gefährlich.


Zum Risiko für jede Gesellschaft werden sie, weil sie keine inhaltlichen Konzepte für die Gesellschaft anzubieten haben, die konsensfähig wären. Denn wenn sie erst mal gewählt sind mit Hilfe ihre Strategie, die Außenseite der identitätstiftenden Unterscheidung zu betonen und sich von ihr abzugrenzen, wird deutlich, dass sie keine positive Vision vorweisen können, die mehrheitsfähig wäre (die vergebliche Suche nach der  "Leitkultur"). Wenn das klar ist, werden sie - das ist das weltpolitische Risiko, wenn Populisten wie Trump oder die AfD oder LePen oder die FPÖ an die Macht kommen - sich wieder einen Außenfeind suchen, der intern dann erneut für Konsens sorgen kann. Wenn das in Österreich geschieht, juckt das wahrscheinlich die Welt nicht, aber bei Trump sieht das anders aus...


In den USA  wurde dieses Rezept schon immer angewandt (siehe George W. Bush), aber da gab es wenigstens noch irgendwelche Inhalte (z.B. christlich-fundamentalistische). Jetzt aber, mit einem kriminellen Immobilienhai an der Spitze, ist das sicher eine noch größere Gefahr für den Weltfrieden (wenn man solch ein Wort heutzutage wirklich noch in den Mund nehmen kann).