Obamacare

Heute morgen (schreibt man das eigentlich klein oder groß?) habe ich im amerikanischen Fernsehen die Abstimmung über den Versuch der Republikaner, Obamacare wieder zurück zu drehen, gesehen (ca. 1 Uhr 30 Washington Zeit). Vor drei Tagen hatte dort John McCain, ehemaliger Präsidentschaftskandidat der Republikaner (gegen Obama) und seit 30 Jahren Senator, eine eindrückliche Rede gehalten, in der er die guten alten Zeiten ordentlicher Gesetzgebungsverfahren pries, in der - über die Parteigrenzen hinweg - in Ausschüssen unter Anhörung von Experten eine "bipartisan solution" gesucht wurde.


Diese Zeiten, die eine Qualität des amerikanischen politischen Systems darstellten, sind lange vorbei. Bateson und Ruesch haben dieses System in ihrem 1951 erschienenen Buch "Kommunikation. Die soziale Matrix der Psychiatrie" (Carl-Auer-Verlag) gepriesen. Seit die Evangelikalen (=Tea-Party) und die Milliardäre (z.B. Koch-Brüder) mit ihren Lobbyisten und ihren Schmiergeldzahlungen die Politik bestimmen, hat sich das geändert.


McCain ist nur wenige Tage nach einer Operation wegen eines Glioblastoms (gegen ärztlichen Rat) nach Washington gekommen, um seine Rede zu halten und abzustimmen. Seine Stimme hat heute das Gesetz zu Fall gebracht, durch das Trump und Mitch McConnell, der ziemlich skrupellose Machtpolitiker, der die Republikaner im Senat führt, beweisen wollten, dass sie ihr Wahlversprechen, Obamacare um jeden Preis abzuschaffen, halten können.


Das scheint mir eine ehrenwerte Entscheidung von McCain gewesen zu sein, denn das Gesetz, das zur Abstimmung stand, war für die Versicherten eine Katastrophe (15 Millionen Menschen hätten ihren Versicherungsschutz verloren)... Die Interpretation böswilliger Beobachter ist allerdings, er habe das Gesetz abgeschmettert, weil Trump ihn während des Wahlkampfs beleidigt, hat er sei kein Kriegsheld, sondern - sinngemäß - ein "Loser", weil er sich vom Vietkong habe gefangen nehmen lassen (bei dem er dann etliche Jahre eingekerkert war).


Das Problem, das seit der Reagan-Zeit - aus meiner Sicht, aber ich bin da sicher befangen - die amerikanische Politik bestimmt (im Unterschied zu der Bateson/Ruesch-Analyse), ist, dass es nicht mehr primär um Sachfragen geht und aufgrund sachlicher Erwägungen entschieden wird, sondern nur noch nach einem Freund/Feind-Schema abgestimmt wird. Nix mehr von "bipartisan solutions" zu sehen...