Ökonomie der Aufmerksamkeit

Das Buch mit dem o.g. Titel steht seit einigen Jahren in meinem Bücherschrank, da es mir einen interessanten Theorieansatz versprach. Schließlich beruht menschliche Kommunikation darauf, dass unterschiedliche Menschen ihre Aufmerksamkeit koordinieren, sich als autonome Beobachter faktisch auf einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus einigen usw. und auf diese Weise die Emergenz sozialer Systeme bewirken. Und die systemische Psychosentheorie verdankt den Untersuchungen von Lyman Wynne und Margaret Singer (1956) zu den Kommunikationsabweichungen in Familien von Menschen, die als "schizophren" diagnostiert wurden, ganz zentrale Impulse (Wesentliches Merkmal: Fokusverschiebung in einer nicht erwartbaren Weise). Auch die Führungstheorie, die sich aus der neueren Systemtheorie ableiten lässt, sagt, dass die Beeinflussung der Aufmerksamkeit ein zentrales, wenn nicht das (!) wichtigste Steuerungsmittel in Organisationen ist.


Ich war also gespannt auf Georg Franck, den Autor des o.g. Buches, als er auf der vom MZ-X veranstalteten Tagung in Berlin ("x-mess" 17.-19.11.2011) einen Workshop zum Thema abhielt.


Seine wesentliche (und zustimmend zu unterstreichende) These ist, dass die eigene Aufmerksamkeit für jeden ein knappes Gut ist und deswegen einem ökonomischen Kalkül unterliegt.


Mir hat der Workshop geholfen: Ich weiss jetzt, dass ich die knappe Ressource meiner Aufmerksamkeit nicht in das Lesen des Buches von Herrn Franck investieren werde. Denn seine Theorie scheint mir einige Konstruktionsfehler zu haben.


Der erste ist, dass er sich an der klassischen ökonomischen Theorie des homo oeconomicus orientiert und alle Defekte dieser Theorie übernimmt. Er versucht Kommunikationsmuster durch die Addition individueller Entscheidungen zu erklären, statt diese Entscheidungen durch die Muster der Kommunikation (oder zumindest die Wechselbeziehung von beidem zu betrachten).


Auf eine Formel gebracht: Statt die Logik ökonomischer Prozesse durch die Logik von Kommunikationsprozessen zu erklären, versucht er die Logik von Kommunikationsprozessen durch die Logik ökonomischer Prozesse zu erklären.


Das aber ist weit hinter dem zurück, was die neuere Systemtheorie (als Kommunikationstheorie) über Wirtschaft - und über Aufmerksamkeit - zu sagen hat.


Mittelalter.