Schinken, Käse, Garnelen & Co.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht. Bei mir jedenfalls stellt sich die Wahrnehmung des typischen Geschmacks von frischem, duftendem Kochschinken ein, wenn ich das Wort lese oder der Duft frischen geschmolzenen Pamesankäses, wenn ich von Schinkenpizza höre. Nun las ich vor ein paar Tagen in der Tagespresse von einer Studie, wonach in 68 Prozent aller gastronomischen Lokalitäten die Schinkenpizza weder Schinken noch Käse enthielt. Was in der Gastronomie immer mehr verarbeitet werde, sei so genannter Analogkäse, und was Schinken genannt werde, sei eine gepresste Gelmasse, sie einige Fleischstückchen enthalte. Die neuesten Meldungen (z. B. SPIEGEL-ONLINE vom 10.07.2009) berichten von weiteren Spezialitäten der Lebensmittelindustrie, etwa von Garnelen, die aussehen wie Garnelen, sonst aber nichts mit den Meereskrebsen gemein haben. Sie bestehen aus einem eiweißhaltigen Gel, das in Garnelenformen gepresst wird. Auch von Meerrettich ist die Rede, der mit dem Wurzelgemüse nur den Geschmack gemein hat. Der allerdings kommt von einem künstlichen Aroma.


Hier wird aus gewissenloser Profitgier in einem weiteren System, nämlich dem der menschlichen Nahrung in einer Weise gewildert, dass ähnlich den Auswüchsen im Finanz- oder Gesundheitssystem auf breiter Front Vertrauen missbraucht und letztlich zerstört wird. Von der menschlichen Gesundheit ganz zu schweigen!

Wer erinnert sich nicht an die geradezu ins mythische überhöhte Diskussion um das Reinheitsgebot für das deutsche Bier? Nur Wasser, Malz und Hopfen dürfen hinein. Und die Hüterin der guten Lebensmittel, Landwirtschafts- und Verbraucherministerin Aigner, sieht keinen Handlungsbedarf, wenn Käse genannt werden darf, worin kein Tropfen Milch ist, eben Analogkäse. Wo ist da der Aufschrei der Bauern? Schließlich sind sie es, die vom Verkauf von Milch leben, die sie ihren Kühen täglich frisch abnehmen.


Dabei handelt es sich bei diesen drei Kunstprodukten wohl nur um die Spitze des Misthaufens, den man uns da als angeblich unbedenkliche und wertvolle Nahrungsmittel präsentiert. In Backwaren verbirgt sich seit der Erfindung des guten alten Backpulvers immer mehr Kunst und Chemie. Nur wenige Konditoren wie Heino beherrschen noch das gute alte Kuchenbäckerhandwerk, der Rest kann’s nur noch mit immer mehr Kunst, die mit Kunst so wenig zu tun hat wie die besagten Schinken und Käse mit dem, was einst den Sachen zum Namen verholfen hat. Das System hat Methode. Markt, oh Markt, du wirst es auch hier nicht richten! Ich hoffe auf einen Volksaufstand für gute Lebensmittel! Im Mittelalter hat man Bäcker, die zu kleine Brötchen verkauft haben, in einen Käfig gesperrt, der so lange ins Wasser getaucht wurde, bis der arme Sünder fast ertrunken wäre. Waterboarding war bekanntlich unter Georges W. für die Erlangung von Geständnissen von Terrorverdächtigen eingeführt worden. In Guantanamo (und anderswo). Hierzulande würde es vielleicht schon helfen, wenn man endlich diesen modernen Rosstäuschereien per Gesetz einen Riegel schieben würde. Wenn es denn den nötigen Druck gäbe. Worauf warten wir?