„Die performative Kraft des Schriftlichen“
Das Reden gehört selbstverständlich zur therapeutischen Arbeiten. Das brachte Carmen C. Unterholzer zu der im Grunde naheliegenden Frage, ob sie als systemische Therapeutin auch das Schreiben in der Beratung lösungsorientiert einsetzen könnte. „Es lohnt sich, einen Stift zu haben – Schreiben in der systemischen Therapie und Beratung“ ist wahrscheinlich das einzige deutschsprachige Buch, das  sich konsequent dem therapeutischen Nutzen des Schreibens innerhalb von therapeutischen Settings widmet. Der ‚performativen Kraft des Schriftlichen‘ hat Unterholzer darin ein eigenes Kapitel gewidmet.

Vermutlich kannte Michael Wegmann das Buch nicht, als er als  Referendar seinen Schuldienst aufnahm und auf Schüler traf, die aggressiv, destruktiv und ohne jede Lernbereitschaft seinen Unterricht boykottierten. Zusammen mit dem Schulsozialarbeiter startete er ein Experiment, das wie die Blaupause zu Carmen C. Unterholzers Ansatz wirkt. Der Spiegel berichtet darüber:

Die Schüler erhielten Tagebücher, das Schreiben war freiwillig und sie entschieden auch, ob der Lehrer nachlesen durfte oder nicht. Schnell wurde deutlich, wie stark familiäre und andere Belastungen in den Unterricht hineinwirkten und die Aufnahme- und Lernfähigkeit der Schüler blockierten.

In zwei sehenswerten Videos des Spiegel-Beitrags  „Problemschüler: Wie Lehrer Leben retten“ erzählen Wegmann und eine Schülerin von ihren Erfahrungen mit dem Tagebuchschreiben. Sie machen aber auch klar, dass Externalisierung allein zwar viele Probleme nicht lösen, aber Verarbeitungsprozesse in Gang setzen und Blockaden aufbrechen kann.

Carl-Auer-Literaturtipp:
Carmen C. Unterholzer;  „Es lohnt sich, einen Stift zu haben – Schreiben in der systemischen Therapie und Beratung“ 
Michael White, David Epston: „Die Zähmung der Monster – Der narrative Ansatz in der Familientherapie“
Anton Hergenhan: „Wenn Lukas haut – Systemisches Coaching mit Eltern aggressiver Kinder“