„Komplex heißt ja nicht gleich zu komplex“
Die Süddeutsche Zeitung hat vier deutsche Intellektuelle eingeladen, in unregelmäßigen Abständen den Bundestagswahlkampf zu kommentieren. Unter den ‚Wahl-Watchern‘ ist die Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling. 

In einem aktuellen Interview wirft Elisabeth Wehling Martin Schulz vor, Wahlchancen der SPD zu verspielen. Zur Begründung skizziert die Wissenschaftlerin zunächst die politischen Lager, wobei sie  ein „direkt-kausales" Denken auf der Seite der konservativen, systemisches Denken auf Seiten der progressiven Kräfte verortet. Da progressiv eingestellte Menschen potenzielle SPD-Wähler seien, müsse Schulz diese folglich systemisch ansprechen.

Auf den Einwand, die SPD-Spitze könnte befürchte, Wähler durch zu differenzierte Argumente abzuschrecken, meint Wehling: „Komplex heißt ja nicht gleich zu komplex. Schulz verspielt eine Trumpfkarte der SPD auf diese Weise.“ Dabei beruft sie sich auf eigene Forschungsergebnisse und erläutert: „Sogar konservativ eingestellte Menschen tendieren zu progressiven politischen Entscheidungen, wenn sie mit zusammenhängenden Faktoren und systemischem Denken konfrontiert werden. Schulz könnte also sogar neue Wähler gewinnen, wenn er diese Strategie stärker verfolgt." Das ganze Interview hier.

Carl-Auer-Literaturtipp:
Tom Levold, Michael Wirsching (Hrsg.): „Systemische Therapie und Beratung – das große Lehrbuch“
George Lakoff, Elisabeth Wehling: „Auf leisen Sohlen ins Gehirn – Politische Sprache und ihre heimliche Macht“