Berufs - "Politik" oder: Viel Feind, viel Ehr!

Vorstandssitzungen sind normalerweise nicht gerade die spannendste und humorvollste Abendunterhaltung und trotzdem gibt es in der Schweiz auf allen geographischen und politischen Ebenen Vereine, Verbände, Gesellschaften, Parteien oder Föderationen.

Natürlich sind auch wir PsychologInnen und PsychotherapeutInnen hier überaus vielschichtig (miteinander und gegeneinander) organisiert, was im Klartext heisst, dass alleine die Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen - FSP, mit über 5'200 Mitgliedern die mit Abstand grösste psychologische Vereinigung in der Schweiz – 35 Gliedverbände vereinigt, teils Kantonalverbände, teils Fachverbände.

Zur Zeit zeichnet sich ein politischer Durchbruch zumindest darin ab, gemeinsam mit anderen Dachverbänden ein eidgenössisches Psychologiegesetz auf den Weg zu bringen, das sowohl einige psychologische Berufe wie auch einen generellen Titelschutz gewährleisten könnte.


Seit Jahrzehnten versuchten wir aber - lange mit untereinander zerstrittenen Dachverbänden - die psychologische Psychotherapie in der KK - Grundversicherung zu verankern und sind im Moment wohl weiter davon entfernt, als je zuvor!


Im Gegenteil, es sind sogar politische und wirtschaftliche Bestrebungen erkennbar, auch die ärztliche und die delegierte Psychotherapie mittelfristig aus der Grundversicherung zu kippen.


Es ist wirklich höchste Zeit, unsere berufspolitischen Erfahrungen und Erkenntnisse auszuwerten, auf neue Art zu überdenken und konsequentere Strategien zu entwickeln. Dafür müssten wir aber lernen, in diesem Feld vernetzt zu denken und auch marktwirtschaftliche Dynamiken zu berücksichtigen.

Eine in die Öffentlichkeit und auf die politische Ebene getragene Debatte über die unterschiedliche Effizienz verschiedener therapeutische Ansätze war und ist schon schlimm genug, suggeriert sie doch - entgegen jeglicher Realität - ein gesamthaft schwaches und verunsicherndes Bild der Psychotherapie.


Studien, die Einsparungen im Medizinalsystem belegen, begeistern uns zwar regelmässig, sind aber leider - vorausgesetzt, sie werden überhaupt ernst genommen - keine sehr Erfolg versprechende Strategie, vielleicht sogar ein Bummerang.

Volker Tschuschke plädiert in einem Interview (Psychotherapieforum Forum, Vol.13, No.2, 2005) noch engagiert für eine aktivere Haltung: „Wir müssen unsere Möglichkeiten offensiver vertreten, um im Konzert der Heilberufe gehört zu werden. Das wird zu einer Überlebensfrage werden. Es ist doch eigentlich ein Skandal, dass wir den Kostenträgern nicht klar machen können, dass Psychotherapie z. B. besonders bei den funktionellen bzw. somatoformen Störungsbildern – die bis zu 50% aller Kosten im Ambulanzbereich allgemeiner Arztpraxen verursachen – mehr Kosten einspart, als sie selbst kostet! Ganz zu schweigen von den im Medizinalbereich eingesparten Kosten.“


Haben wir auch die Konsequenzen bedacht?

Diese Argumentation ist – zumindest im Schweizer Gesundheitswesen - eine wirtschaftliche Androhung für den Medizinalbereich, für die Pharmaindustrie und die Krankenkassen, die drei grössten Player auf dem Markt, die - nüchtern betrachtet - nur an einer Steigerung des Umsatzes interessiert sein können.


Viel Feind, viel Ehr! Aber das können wir und vor allem unsere KlientInnen uns nicht

mehr lange leisten.


Nun muss ich in die Praxis und wünsche uns allen einen sonnigen Herbsttag.

Peter Hain