Das Integrations-Problem

Integration heißt immer: Freiheitsgrade des Verhaltens aufgeben - dabei macht es keinen Unterschied, ob man sich integriert oder integriert wird. Daher scheinen mir "Integrationsgesetze" höchst fragwürdig. Denn letztlich hängt Integration davon ab, ob man als zu integrierender Mensch bereit dazu ist, sich zu integrieren, d.h. Freiheitsgrade aufzugeben.


Ich erinnere mich an die Zeit, als ich in den 70er Jahren in der Funktion eines Amtsarztes in Hannover  - manchmal mit Hilfe der Polizei - Zwangseinweisungen vorgenommen habe. Damals kam es gelegentlich vor, dass ich einen Menschen, der schon 35 oder mehr Jahre in Hannover lebte, in seiner Wohnung antraf und er - trotz der langen Zeit in Hannover - kein Wort Deutsch sprach. Er hatte in all den Jahren nur mit Menschen gesprochen, die - zum Beispiel - nur Ukrainisch sprachen. War das ein Problem für Hannover? Nicht, dass ich wüsste...


Ich denke nicht, dass wir Menschen, die bei uns Zuflucht suchen - seien es nun politische Flüchtlinge, Kriegsflüchtlinge oder Wirtschaftsmigranten - zwingen können, sich zu integrieren. Warum auch? Sollen sie doch im Burkino baden, zu Allah beten, und leben, wie sie wollen.


Was wir fordern können, ist, dass sie sich an unsere Gesetze halten. Dazu mag es auch gehören, dass sie ihr Gesicht öffentlich zeigen (schon, um sie bei Geschwindigkeitsübertretungen blitzen zu können oder allgemein ihr Gesicht mit dem Passfoto vergleichen zu lassen). Auch können wir verbieten, dass 10-jährige Mädchen verheiratet werden - ganz einfach, weil wir das nicht richtig finden, kulturelle Vielfalt hin oder her.


Peinlich finde ich, wenn - wie in Nizza (wahrscheinlich) geschehen - Polizisten Frauen im Burkini dazu zwingen sich auszuziehen. Das weckt bei mir Assoziationen zu FKK-Enthusiasten, die mit schwabbelndem Bauch, Mitleid erregenden Mollusken an deren Unterseite und hochrotem Kopf verirrten Textilbadern die Badehose vom Leibe reissen...


Der potentielle Gewinn von Zuwanderern besteht ja gerade darin, dass sie ihre Freiheitsgrade nutzen und sich in einer Weise verhalten, die anders ist, als es die Eingeborenen tun. Man stelle sich vor, dass all die italienischen Köche und Restaurantbesitzer nur Kassler Kotelett, Schweinebraten und Frankfurter Würstchen anbieten würden. Dito in China-Restaurants...


Ich erinnere mich, dass ich 1985 in Stanford einen Vortrag des Physik-Nobelpreisträgers Hans Bethe gehört habe. Er sprach ein grammatikalisch richtiges, aber von der Aussprache her schreckliches Englisch, das jedem Volkshochschüler im ersten Halbjahr Schande gemacht hätte. Er lebte damals schon mehr als 40 Jahre in den USA und hatte die amerikanische Staatsangehörigkeit. Ähnliches gilt für Helm Stierlin und Paul Watzlawick, Europäer mit amerikanischer Staatsangehörigkeit, die einige Mühe aufgewandt haben müssen, um ihren deutschen bzw. österreichischen Akzent zu pflegen. Das sind für mich Hinweise darauf, dass ihnen nichts daran lag, sich vollkommen zu integrieren...


Folgerung für mich: Bietet den Leuten Sprachkurse etc. an und lasst sie selbst entscheiden, wie sehr oder wie wenig sie sich integrieren wollen. Wer hier arbeiten und seinen Lebensunterhalt verdienen will, wird genau das Maß an Integration realisieren (=Aufgabe von Freiheitsgraden), die dazu nötig ist.