DIEM 25

Unter o.g. Titel fand gestern eine Versammlung von engagierten Menschen, die Europa verändern und damit die Idee des vereinten Europas retten wollen, in der Volksbühne in Berlin statt. Leitfigur war Yaris Varoufakis, der Ex-Finanzminister Griechenlands. Ziel war es, eine Bewegung zu begründen, die sich die genannten Zwecke auf die Fahnen schreibt. Und alle, alle waren gekommen, die sich auch nur im entferntesten mit dieser Programmatik identifizieren konnten.


Ich war nicht dort.


Aber nicht, weil ich mich nicht interessiert - vielleicht sogar identifiziert - hätte, sondern weil ich keine Karte mehr bekommen habe.


Nach allem, was ich in der Zeitung (in verschiedenen Zeitungen) gelesen habe, habe ich wohl nichts verpasst. Ein Tag, an dem viele Brandreden nebeneinander ungeordnet nebeneinander gestellt wurden, in dem stundenlang Brain-gestormt wurde, kurz gesagt: eine Nostalgie-Veranstaltung der Art, wie ich sie aus den Nach-68er-Jahren kenne (zumindest klangen für mich die Schilderungen so).


Was mich aber wirklich erschüttert hat, ist, dass diese Versammlung ohne den Beschluss weiterer nächster Schritte zu Ende gegangen ist. Man wolle es der Selbstorganisation überlassen. Erschüttert hat mich dies, weil ich mich ja als Selbstorganisationsforscher sehe und daher mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, dass diese Versammlung nichts anderes bleiben wird als ein Beispiel steriler Aufgeregtheit. Denn Selbstorganisation braucht Organisation, d.h. sie muss organisiert werden. Wer will, dass Ziele wie die oben genannten erreicht werden, muss eine Organisation gründen (die muss ja nicht im Vereinsregister eingetragen sein, aber man braucht zumindest eine kleine Gruppe entschlossener Menschen, die den Prozess im Gang hält). Auch die Umweltbewegung wäre nicht so (relativ) bedeutend geworden, wenn sich nicht Organisationen wie der BUND, die Grünen o.Ä. gebildet hätten; denn Bewegungen verpuffen zwangsläufig früher oder später, weil sie allein von der Energiezulieferung von Idealisten leben, die früher oder später wegen Erschöpfung aufgeben oder weil sie die Kinder bei den Hausaufgaben unterstützen müssen. Organsationen überleben hingegen auch den Burnout ihrer Mitglieder, weil die im Prinzip austauschbar sind.


Wer also langfristig etwas bewirken will, möge eine Organisation begründen (sei es eine Partei, eine Gang, eine Bande, ein Verein, eine Firma, irgendeine NGO, eine kriminelle Vereinigung usw.).


Alles andere - also Versammlungen wie die gestern - ist verschwendete Zeit, die wahrscheinlich nur der momentanen Befriedigung der Eitelkeit der Teilnehmer dient.