Fakt/Fiktion - Fiktion/Fakt

Die - manchmal zirkuläre - Beziehung zwischen Fakt und Fiktion bzw. Fiktion und Fakt ist außerordentlich gut an der Beziehung zwischen Verhaltensmustern, die im Spielfilm, gezeigt werden, und denen, die im Alltag realisiert werden, zu studieren.


In seinem Buch "Vita di Mafia" beschreibt Federico Varese, wie Mafia-Filme (vor allem "Der Pate") das Verhalten der italo-amerikanischen Mafiosi beeinflusst haben. So haben prominente Mafiosi nicht nur Redewendungen ihrer Hollywoodvorbilder übernommen, sondern ihr Verhalten bis in die Mimik und Gestik nachgeahmt (z.B. haben sie wie Marlon Brando den Unterkiefer beim Reden vorgeschoben). Diese Imitation wurde für sie attraktiv, weil sie sich geehrt und glorifiziert in diesen Filmen sahen, Helden des kriminellen Alltags, Vertreter einer eigenen, im Film konsistent geformten Leitkultur, die zur Identifikation einlud. Einige der US-Mafiosi begannen sogar, nachdem sie diese Filme 1000 mal gesehen hatten, Italienisch zu lernen.


Ihrem Anspruch und ihrer Hoffnung, das Leben der Mafia darzustellen, wurden Drehbuchschreiber und Autor des Buches (Mario Puzo) auf - wie ich finde - komische Weise nach dem Muster der selbsterfüllenden Prophezeiung gerecht. Die Protagonisten seines Buches entsprangen allein der Phantasie Mario Puzos: "Al momento di scrivere il libro, l'autore non aveva conosciuto un solo mafioso in vita sua" (F. Varese, 2017, Einaudi, p. 145), aber einige Zeit nach der Veröffentlichung des Films entsprach ihr Verhalten dem tatsächlichen Verhalten amerikanischer Mafiosi ...