Groß-Britannien

Für eine gute Woche war ich mal wieder in London. Eine großartige Stadt. Aber ich will hier nicht erneut eine Hymne auf diese Stadt anstimmen. Nur kurz: Wenn man dort ist, wird einem klar, welche Rolle die Kolonialzeit für die Entwicklung dieser Stadt (und das Land) gespielt hat. Denn all die bombastischen Bauten sind ja von dem Geld erbaut worden, das den Kolonien abgepresst wurde: Rohstoffe wurden aus den Kolonien nach GB importiert, die Fertigprodukte der aufblühenden Industrie auf der Insel wurden dorthin exportiert. Dort wurde die Entwicklung systematisch behindert, in England gefördert usw. London bildete die Spinne in einem weltumspannenden Netz. Wunderbar... (?)


Dass das nach dem Brexit so wieder so werden könnte, glauben offenbar immer noch viele, die der kolonialen Nostalgie anhängen (Menschen, welche die Hosen mit der Kneifzange anziehen).


Ein weiterer Aspekt der britischen Kultur dürfte ebenfalls seine Wurzeln in der Kolonialzeit haben (=meine Spekulation): die Begeisterung für merkwürdige Sportarten. Nehmen wir Golf oder Polo oder Kricket, die Faszination, die von Pferderennen ausgeht, Wimbledon jedes Jahr Mittelpunkt der Tenniswelt usw.


Nehmen wir Golf oder Polo. Beides sind Sportarten, die viel Zeit verbrauchen und - vor allem beim Polo - extrem viel Geld kosten. Meine Erklärung: Diese Arten des Sports sind eine Lösung für das Problem der Langeweile, wenn man sein Geld - wie die britische Oberschicht - nicht durch Arbeit verdienen muss. Von der Ausbeutung der Kolonien hatte vor allem die britische Oberschicht profitiert. Sport war eine wunderbare Lösung für das Problem, seinem Leben Sinn zu geben, wenn keine materielle Not besteht.


Mir gefallen ja zweckfreie Tätigkeiten. Insofern habe ich durchaus auch Sympathien für diese Arten seinem Leben einen Sinn zu geben. Mir scheint das einen existenzialistischen Charme zu haben.


Aber trotzdem: Großbritannien war ja immer und bleibt irgendwie weiter ein Land voller Geisterfahrer, und Kontinentaleuropäer müssen dort immer Sorge haben, unter die Räder zu kommen...