Priorisierung

Es riecht sehr nach Gutsherrenart, was sich die Standesvertreter der Ärzte bei ihrer Verbandsversammlung, genannt Ärztetag, erlauben. Das neue Reizwort, das sie sich ausgedacht haben, hat das Zeug zum Unwort des Jahres: Priorisierung. Als würden nicht längst manche Patienten bevorzugt, andere benachteiligt, wollen sie das nun zum System erheben: Behandlung nach besonderer Notwendigkeit. Es geht ihnen dabei nicht um das, was schon immer selbstverständlich war: Notfälle zuerst. Wer durch „ungesunde Lebensweise“ seine Gesundheitsprobleme selbst verursacht hat, soll „ganz unten auf die Liste“. Zu deutsch: Wer raucht und säuft und sich zudem durch Fehlernährung seine Gesundheit ramponiert hat, kommt ganz am Ende. Vielleicht bekommt er einen heimlichen Sperrvermerk auf seiner elektronischen Karte und wird immer wieder „ans Ende der Warteschlange“ gesetzt. Eine neue Art der Selektion. War es nicht auch mal der Stand der Ärzte, der seine Hand zur „Beseitigung unwerten Lebens“ gereicht hat? Das Denken in Kategorien der Selektion scheint nicht tot zu kriegen. Warum nur fällt mir da der Name Mengele ein?


Die in Mainz versammelten Ärzte sind die Frösche, die den Auftrag haben, den Teich trocken zu legen, in dem sie leben, die Ärzteselbstverwaltung. Diese soll das marode System mit seinen Auswüchsen selbst kurieren, wozu sie selbstverständlich weder willens noch in der Lage ist. Das einzige, was den verdorbensten Typen unter ihnen noch einfällt, ist, den Kassenpatienten noch mehr Geld abzupressen. Anders ist die Forderung ihres Oberdoktors Hoppe nicht zu verstehen, künftig soll jeder Kassenpatient für jeden Arztbesuch 25 Euro bezahlen. Hat dieser Cheflobbyist eigentlich noch in Erinnerung, dass dieser schon 15 Prozent seines Monatslohns abgezogen bekommen hat, ohne auch nur an den Arztbesuch zu denken? Von denen ganz zu schweigen, die vom "Regelsatz" von 351 Euro Unterstützung im Monat zu leben haben.


Bei meiner Priorisierung kommt heute zuerst die Empathie für die streikenden Kita-Mitarbeiterinnen. Die haben echt Grund zur Klage und nicht die maßlosen Doktores in Mainz.