Revolutionen

Ich gestehe, dass Live-Übertragungen von Revolutionen eine gewisse Faszination auf mich ausüben.


Das galt auch für die Direktübertragung vom Maidan in Kiew gestern Abend. Eine Revolution, deren Ausgang noch offen ist.


Ich erinnere mich noch gut an die Radio-Übertragung der "Ereignisse" (wie es offiziell heißt) auf dem Tian An Men-Platz in Peking im Juni 1989. Ich sass damals am Radio auf einer der Fidschi-Inseln, und Radio Australia berichtete auf Kurzwelle stundenlang direkt von den auffahrenden Panzern etc. - Einer der vielen gescheiterten Revolutionsversuche.


Der Sturz Mubaraks in Ägypten hat gezeigt, dass der gelungene Sturz einer Regierung nicht unbedingt mit einer Revolution gleich zu setzen ist.


Libyen ohne Gaddafi mag für Libyen gut sein, in Mali hat es zu einem Sturz der Regierung und zur Besetzung eines Teils des Landes geführt...


Zur Zeit kann man in den Fernsehnachrichten auch die Versuche, eine gewählte Regierung (wie in der Ukraine) zu stürzen, in Venezuela und Thailand beobachten.


Ich habe keine Ahnung, wer da wirklich gegen wen aufgrund welcher Interessen kämpft und ob ein gelingender Umsturz als Fortschritt oder Rückschritt zu bewerten wäre (und aufgrund welcher Kriterien von welchem Beobachter...).


Wer gegen wen kämpft ist auch beim gescheiterten, in einen Bürgerkrieg umgeschlagenen Revolutionsversuch in Syrien nicht zu sagen, obwohl es m.E. zweifellos ein Fortschritt wäre Assad zu verjagen.


Bei all diesen Revolutionen oder Revolutionsversuchen scheint mir ein Muster beobachtbar: Wenn ein großer Teil der Bevölkerung (nicht unbedingt die Mehrheit) sich von ihrer Regierung nicht mehr vertreten fühlt und auf die Strassen geht, dann hängt das Überleben dieser Regierung davon ab, wie das Militär oder allgemeiner: die bewaffneten "Sicherheitskräfte" reagieren.


Die Macht der Regierung beruht auf dem Gewaltmonopol des Staates. Wenn das Militär und die Polizei auf die eigene Bevölkerung schießen müssen, entscheidet sich, ob die Situation kippt. Gewaltdemonstrationen sind immer ein Symptom des Machtverlustes. Wenn die Zahl der Demonstranten groß genug ist und sich nicht einschüchtern lässt, dann sind die meisten Soldaten nicht bereit, weiterhin ihren Befehlen zu folgen und auf die "eigenen Leute" zu schießen... Und dann ist die Regierung - und oft genug das Regierungssystem, für das sie steht - am Ende.


Wenn die Soldaten schießen und bereit sind, dies auch weiter zu tun , dann stellt diese Machtdemonstration entweder die Macht wieder her (Beispiel: China) und die Demonstration hören auf, oder aber es kommt zum Bürgerkrieg.


In Syrien dürfte die ethnisch-religiöse (?) Vielfalt der Bevölkerung und die relative religiös-ethnische Geschlossenheit des Militärs (Alawiten) dafür sorgen, dass das Militär weiter schießt.


Das ist in der Ukraine (hoffentlich) anders...