Strenges und lockeres Denken

Zur Zeit korrigiere ich die Fahnen meines neuen Buches. Es wird den Titel haben: "Formen. Zur Kopplung von Organismus, Psyche und sozialen Systemen". Es beschäftigt sich mit der Logik der Wechselbeziehungen dieser unterschiedlichen Typen autopoietischer Systeme, also dem Thema, mit dem jeder Psychiater sich eigentlich beschaftigen sollte (aber es meistens nicht tut), das aber auch für jeden anderen Menschen, der bei Sinnen ist, von Interesse sein sollte (aber wer ist das schon?).


Ein wichtiges Thema ist dabei der von Bateson benannte Unterschied zwischen strengem und lockerem Denken. Das erste bemüht sich möglichst logisch konsistent - ziemlich streng eben - zu sein. Idealerweise kommt es zu Schlüssen, die den Anspruch haben, interpersonell nachvollziehbar zu sein, unabhängig vom Ort und Zeit, an denen ihr Autor sie formuliert, und auch unabhängig von seinen persönlichen Macken. Wer bestimmt Schlussregeln befolgt, sollte mehr oder weniger zu denselben Ergebnissen kommen. Das zweite folgt eher dem Modell der freien Assoziation, was eine (andere) Grundlage von Kreativität darstellt. Es ist ganz und gar abhängig von seinem Autor, d.h. subjektiv, bestimmt durch seine Geschichte, abhängig von dem Ort und der Zeit, an dem es sich (selbstorganisiert) entwickelt.


Da es, wie ich finde, ideal, aber auch paradox, wäre, diese beiden Formen des Denkens gleichzeitig zu realisieren, habe ich versucht, das Buch im Sinne des strengen Denkens zu verfassen, d.h. ohne Schnörkel und sonstiges Brimborium. Ein Buch liefert auch als Medium den Rahmen für Formulierungen mit dem Anspruch auf eine gewisse Dauerhaftigkeit. Fest gekoppelte Sätze als Elemente eines Textes. Einmal gedruckt, fest gekoppelt mit dem Papier, auf dem sie zu lesen sind, haltbar bis zu dessen Makulierung...


Und daher - so der Plan - habe ich beschlossen (und der Verlag war einverstanden), einen zweiten Teil zum ersten, strengen zu verfassen, der aus meinen freien Assoziationen und Kommentaren und Einfällen, manchmal auch Erklärungen zum ersten Teil besteht und im Internet publiziert wird. Er wird die Gestalt eines Blogs haben, so dass auch die Leser die Möglichkeit haben, ihr Kommentare, freien Assoziationen, Pöbeleien (was immer) anzufügen. All das erfolgt in einem Medium, das Texte flexibel, leicht zu ändern und/oder zu ergänzen macht. Dieser Buchblog wird auf der Website der Carl-Auer-Akademie zu lesen und zu füllen sein.


Da ich mich gerade - beim Korrigieren der Fahnen und Niederschreiben meiner aktuellen freien Assoziationen dazu - für eine gewisse Zeit in Rom aufhalte, dürften diese Texte vorhersehbar etwas romlastig werden. Aber so ist das eben mit freien Assoziationen: Sie sind abhängig von Ort und Zeit (und damit auch vom Wetter, dem Strassenverkehr usw.).