Wie die SPD zu retten ist...

Betrachtet man die Wahl vom vergangenen Sonntag, so scheinen die Rechts-links-Gegensätze deutlich akzentuiert worden zu sein. Auf der einen Seite sind die Marktfundamentalisten (sicher etwas verkürzt dargestellt, aber auch nicht ganz falsch: die FDP) und auf der anderen Seite die Sozialisten (ebenso verkürzt: Die Linke).


Irgendwie scheint mir diese Wahl aus der Zeit gefallen oder ein Ausdruck der Nostalgie. Denn hier werden ja alte Modelle und Unterscheidungen gepredigt bzw. als politische Programme vertreten, deren Blödsinnigkeit (Nicht-Funktionieren) sich im Laufe der letzten 50 Jahre erwiesen hat. Die Erklärung, warum diese beiden Parteien so erfolgreich waren, liegt meines Erachtens darin, dass mangels alternativer, neuer Ideen auf alte zurückgegriffen wird. Und dabei ist die SPD eben durch den Rost gefallen, weil Steinmeier als Architekt einer als "rechts" eingeordneten Politik (Agenda 2010) der CDU und der FDP, die beide ebenfalls eine als "rechts" eingeordnete Politik vertreten, nichts glaubwürdig entgegen setzen konnte. Diese Rechts-links-Unterscheidung hat ja eine lange Tradition und ist als Orientierungsrahmen immer abrufbereit.


Aus systemischer Sicht scheint mir diese Zuordnung wenig nützlich. Hierin könnte eine Chance der SPD liegen, sich neu zu erfinden. Denn, wenn man sich genauer anschaut, welche politischen Positionen sich aus systemtheoretischen Überlegungen ableiten lassen, dann eröffnet sich ein dritter Weg zwischen rechts und links (wenn es nicht so platt wäre, könnte man ihn "geradeaus" nennen).


Was ich meine, dürfte deutlich werden, wenn man analysiert, welche Ideen oder Verhaltensweisen üblicherweise als Rechts oder Links kategorisiert werden. Vor einiger Zeit hat Elisabeth Noelle-Neumann in der FAZ mal einen Artikel geschrieben, in dem sie diese Unterscheidungen aufgelistet hat (Ergebnis ihrer repräsentativen Befragungen). Demnach lauten die Definitionen von Links und Rechts, die sich durch empirische Sozialforschung untermaueren lassen, folgendermaßen:


„- Links steht für den Wert der Gleichheit, Rechts für Differenzierung, Unterschiede individueller, sozialer, nationaler Art. Damit ist verbunden der linke Wert des Antiautoritären , der rechte Wert von Autorität, Hierarchie.


- Ein linker Wert ist Nähe, Wärme, Formlosigkeit, ein rechter Wert Distanz, Umgangsformen. Im Deutschen gehört dazu die sprachliche Unterscheidung zwischen Du und Sie.


- Ein linker Wert ist Spontaneität, ein rechter Wert Disziplin.


- Freiheit im linken und rechten Verständnis sind Gegensätze, zunehmend seit der Französischen Revolution Gegensätze geworden: Im linken Verständnis ist Freiheit überwiedend Freiheit von Not, Sicherheit und Geborgenheit, für die der Staat einzustehen hat. Freiheit im rechten Verständnis ist gerade umgekehrt Freiheit gegenüber dem staatlichen Zugriff, damit aber auch Risikobereitschaft, Anstrengung, Aktivität, Entwicklung eigener Kräfte.


- auf wirtschaftlichem Felde folgt daraus der linke Wert von Planung, öffentlicher Kontrolle, als rechter Wert der Schutz der Privatwirtschaft, Wettbewerb, Schutz des Privateigentums als natürliches Recht.


- In linker Sicht ist das Milieu prägend, die Gesellschaft wird für das Befinden des einzelnen veranwortlich gemacht. In rechter Sicht liegt die Verantwortung beim Individuum, das Individuum wird zur Verantwortung gezogen.


- Das Internationale, Kosmopolititsche ist ein linker Wert, verbunden der Gleichheit; das Nationale ein rechter Wert, verbunden der hohen Bewertung der Differenzierung.“


(aus „Die dritte Partei. Die Balance zwischen Rechts und Links geht verloren“ von Elisabeth Noelle-Neumann, FAZ 12. 7. 95, S. 5)


Diese Gegenüberstellung zeigt, dass die Konsequenz aus systemischem Denken, mal zu "rechten", mal zu "linken" Positionen führt bzw. ganz häufig zu "Sowohl-als-auch-Positionen", wo ansonsten Entweder-oder vertreten wird. So wird z.B. weder allein die Gesellschaft für das befinden des Einzelnen verantwortlich gemacht, noch umgekehrt dem Individuum allein die Schuld für seine Lage. Zirkuläre Prozesse lassen sich eben nur schlecht bzw. gar nicht in die traditionellen, lineal-kausalen Modelle einpassen...


Die Modernisierung der SPD kann sicher nicht im Zurück zur alten marxistischen Ideologie bestehen, sondern sie muss einen dritten (der Logik sozialer Systeme angemessenen) Weg jenseits von Rechts und Links definieren und ihn durch politische Programme, Vorschläge, Projekte und Forderungen, die auch dem Durchschnittsbürger plausibel gemacht werden können, konkretisieren. Dann kann sie wieder aussichtsreich um Unterstützung werben - um so die nächste oder übernächste Wahl gewinnen zu können.


Und dann kann man sie auch wieder wählen.