"Wir schaffen das!"

Es ist jetzt etwa ein Jahr her, dass Frau Merkel mit dem o.g. Satz die am Bahnhof von Budapest wartenden Flüchtlinge nach Deutschland geholt hat. Und es kamen viel mehr, als nur die dort Wartenden... Seither scheint fremdenfeindliche Hysterie in Deutschland zu herrschen. Aber das ist sicher nur zum Teil richtig, denn auch vorher haben schon Asylantenheime gebrannt. Ich denke da an Hoyerswerda, Rostock und ähnliche Orte bzw. die mit diesen Ortsnamen verbundenen Ereignisse Anfang der 90er Jahre. Dass sich die Zahl der brennenden Heime vermehrt hat, ist allerdings ein Faktum.


Ich gebe zu, dass ich mich vor einem Jahr hier im Blog darüber lustig gemacht habe, als die aus Budapest kommenden Flüchtlinge mit Teddybären beworfen wurden und schiere Freude über deren Ankunft zu herrschen schien. Als dann eine Million Leute kam, wurden die Teddybären knapp. Und es begann der Triumphzug "Dunkeldeutschlands", repräsentiert durch die AfD. All die fremdenfeindlichen Kleinbürger wagten sich aus ihren geistigen Schrebergärten und liessen ihrem ungehemmten Hass im Internet (meist anonym) freien Lauf ...


Inzwischen versuchen auch die etablierten Parteien auf diesen Zug (Stichwort: "Obergrenze") aufzuspringen (siehe Gabriel). Das scheint mir ein strategischer Fehler, denn die Zahl der Freaks am rechten Rand der Gesellschaft beträgt in Deutschland ja wahrscheinlich nicht mehr als 15% (in der alten DDR wahrscheinlich mehr). Dem stehen aber zigtausende von freiwilligen Helfern gegenüber, die trotz der erbärmlichen Bedingungen, unter denen sie manchmal arbeiten müssen, bereit sind, Zeit und Geld zu opfern, um den Leuten aus Syrien, Afghanistan oder, woher sie immer kommen mögen, zu helfen. Ich neige ja, zugegebenermaßen nicht dazu, stolz auf Deutschland zu sein. Aber diese Hilfsbereitschaft rührt mich. Da zeigt sich ein Aspekt der deutschen Nachkriegskultur (und die unterscheidet sich offenbar von der Vorkriegskultur), den ich äußerst sympathisch und bewundernswert finde, eigentlich ein Grund, mal wieder stolz auf Deutsche - nicht Deutschland und auch nicht "die Deutschen" (=alle) - zu sein.


Jetzt nach einem Jahr "Willkommenskultur" sind die meisten Turnhallen wieder frei, und die deutsche Gesellschaft ist nicht unsicherer geworden (trotz zweier pubertierender Attentäter, die in der Menge der anderen pubertierenden Gewalttäter, die sich nciht auf den IS berufen, eigentlich statistisch vernachlässigt werden könnten - statistisch, d.h. nicht für diejenigen, die von der Axt getroffen wurden). Die Gesellschaft ist nicht aus der Bahn geworfen und sie wird diese Million Leute genauso verkraften wie die Leute, die in früheren Einwanderungswellen kamen (wie alle aktuellen Studien zeigen). Was im Moment noch bleibt, ist die Hysterie der Populisten und die opportunistische Angst der aktiven Politiker vor Umfragewerten.


Was aber - und das wird von den albernen Populisten nicht bedacht - bleibt, sind die Hunderttausende von potentiellen Einwanderern im Süden Europas. Da wird es den Ungarn wenig helfen, wenn sie Zäune errichten: Die Italiener werden all die aus dem Mittelmeer gefischten Leute nicht nur in die Tomatenfelder schicken können und sie daher in den Zug nach Norden setzen. Und da wird auch Österreich keine Trumpschen Mauern bauen können, selbst wenn Herr Hofer Präsident werden sollte...


Europa wird einen gemeinsamen Plan entwickeln und zusammen arbeiten müssen.