"Sie würden uns für beknackt halten"

Mit dieser Offensive geht der Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gleich zu Anfang des ZDF-Sommer-Interviews am  vergangenen Sonntag den Moderator an und weist ihn stellvertretend für andere Medien in die Schranken. Hatte dieser doch Steinbrück und somit der SPD vorgehalten, sie würden mit der neuen Plakataktion entgegen früherer Beteuerungen doch negatives Campaining betreiben.


Mit einem breiten Grinsen versucht Steinbrück den Moderator, dem gleich beim ersten Windstoß die eigenen Manuskriptblätter wegfliegen und abhanden kommen, über die Notwendigkeit von Humor und Ironie im Wahlkampf aufklären zu wollen. Würden Medien dies nicht verstehen und der SPD stets negatives Campaining vorhalten, müsste man die SPD für beknackt halten. Diese sei natürlich schlauer, weil humorvoller.


Steinbrücks Gesicht strahlt in diesem Moment eine nicht zu übersehende Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit aus. Steinbrück glaubt es. Die SPD glaubt es.


Glauben es die Wähler?


Steinbrück wirkt unmittelbar als Mann der klaren, direkten und konkreten Worte. So kennt man ihn. Sie streitet man mit ihm. So liebt man ihn.


So hat man auch Angst und Respekt vor ihm. Er ist kein Politiker zum Anfassen. Er ist nicht der Kandidaten-Vati im Kontrast zur Kanzlerinnen-Mutti. Hoch konzentriert und sichtlich emotional (endlich mal ein sichtbar emotionaler Politiker, so könnte man erfreut ausrufen) beginnt er sich nach der kurzen Ouvertüre verbal fast zu überschlagen. Man sieht es seinem Mund an, dass andere Worte raussprudeln wollen. Doch walten Steinbrücks Lippen wie ein Selbst-Zensor, ein selbstloser Wort-Wächter über die explosiven Wogen, die in ihm hochzuschlagen scheinen. Hochschlagen müssen.


Steinbrück bremst sich. Bremst sich so stark, so sichtbar, gleich zu Anfang schon, bevor es richtig losgeht, dass man seine vielen Versprecher und Fast-Versprecher schon gar nicht mehr zählen kann.


Steinbrück wirkt ernst. Er beißt sich auf die Lippen und schmunzelt dennoch. Worüber könnte dieser Mann in einem solchen Moment wohl schmunzeln, frage ich mich. Andere tun dies gewiss unbewusst ohne Steinbrücks Schmunzeln verstehen zu können. Man muss ihn wohl sehr gut kennen, um dieses Schmunzeln zu begreifen. Begreifen, ohne ihm Unrecht zu tun.


Warum legt er sich mit dem Moderator an, stellvertretend mit den Journalisten? Warum gleich schon beim ersten Auftakt? Steinbrück wirkt dabei stark, kompetent und selbstsicher. So wie viele sich einen Politiker wünschen. Aufschlag Steinbrück. Punkt für Steinbrück.


Steinbrück wirkt aber manchmal auch zu stark, wenn er meint, dass Wähler auf Ungerechtigkeiten hingewiesen werden müssten. Wähler wollen nicht belehrt werden. Mündige Wähler wollen dem Wahlkampfspektakel zuschauen, ohne selbst auf die Bühne zu müssen.


Sie wollen sich in dem Mysterium der sogenannten Wählerzufriedenheit, das Meinungsinstitute ihnen zur Zeit bescheinigen, sonnen und verstecken. Sie wollen eben nicht gestört werden.