Westerwelles Reue?

Westerwelle hat  vergangene Woche im SZ-Interview öffentlich seine Fehler bereut. Freimütig, so heisst es, habe er über seine Fehltritte gesprochen. Und hierüber seine (Mit-) Schuld hinsichtlich des Ansehensverlusts der FDP eingestanden.


Wenn er damals, als er über den Missbrauch des Sozialstaats sprach, so Westerwelles O-Ton, die Tragweite seiner Bezugnahme auf die "spätrömische Dekadenz" geahnt hätte, hätte er diese Worte gelassen.


"Die Worte gelassen" meint ja, um ihn beim Wort zu nehmen, er hätte andere Worte gewählt, um eine andere Wirkung zu erzielen. Er bezieht sich hierdurch aber nicht auf den Inhalt seiner Aussage. Diesen scheint er nicht zurückzunehmen. 


Offensichtlich versucht er "rechtzeitig" vor der Bundestagswahl, den Flurschaden, den er in der FDP, natürlich nicht nur da, angerichtet hat, zu begrenzen.


Ebenso hätte er bei seiner ersten Pressekonferenz nach dem Sieg bei der Bundestagswahl 2009 einen Pressevertreter nicht auffordern dürfen, seine Fragen in Deutsch zu stellen.


Es ist nun so, dass er die damalige Situation bei der Pressekonferenz, wie wahrscheinlich auch andere Situationen, völlig falsch einschätzt. Der damalige Korrespondent der Times in Berlin bringt es bei einem Panel auf dem Berliner Politikkongress 2010 auf den Punkt: " Es war nicht die Aufforderung Deutsch zu sprechen, sondern die Art und Weise, wie Westerwelle gefragt hatte." Damit meinte er Westerwelles nicht zu überhörende Empörung in der Stimme, sobald dieser den Mund aufgetan hat.


Diese Empörung in Westerwelles Stimme scheint mir, zumindest noch bis vor kurzem, ein rhetorisches, stimmliches Markenzeichen Westerwelles zu sein. Auch wenn es nichts gab, worüber er sich hätte empören können, seine Stimme schepperte vor Empörung. Ich habe ihn daher damals schon in meiner Kolumne beim Tagesspiegel einen "Empörungspolitiker" genannt. Sie schepperte nicht nur jedesmal, wenn er als Oppositionspolitker vor das Mikro trat, sondern auch als Regierungspolitiker.


Manchmal sollte anstatt einer verbalen Entschuldigung (vorausgesetzt sie kann als solche auch erkannt werden, denn die SZ-Entschuldigung von vergangener Woche scheint keine solche zu sein) wirklich Kreide gefressen werden, so dass die eigene Stimme sanfter wird. Vielleicht findet Westerwelle dann ja auch selbst Geschmack an seiner neuen Stimme. :-) Die WählerInnen sowie der damalige Times Korrespondent werden es ihm gewiss danken.


Zum Glück outet er sich im SZ-Interview auch als normaler Mensch, wenn er sagt:" Ich war damals völlig übermüdet nach einer Siegesfeier, die bis vier Uhr morgens ging und bei der nicht nur Endorphine im Spiel waren, sondern auch Dinge, die man in Promille misst."


Politiker sind eben auch nur Menschen. :-)