Zyperns "Geschäftsmodell"

Finanzminister sind auch nur Menschen. Und als solche ärgern sie sich, wenn irgendwelche Kollegen ihnen das Wasser (= die Steuern) abgraben. Deswegen neigen sie gelegentlich zu aggressiven Druchbrüchen ("Die Kavallerie hinschicken.."), aber meistens müssen sie hilflos zusehen, wie kleine Länder, von denen eigentlich niemand Notiz nehmen sollte, sich als Steuerparadiese etabliern.

Es sei dennn: Solch ein kleines Land gerät in Not. Dann können sie den Hammer herausholen und zeigen, was eine Harke ist (ich weiss: eine merkwürdige und widersprüchliche Mischung handwerklicher Metaphern).

Dass jetzt Zypern bzw. die Zyprioten rigoros dafür bestraft werden, dass sie russischen Oligarchen bei der Geldwäsche geholfen haben und andere Steuervermeider auf ihrer Insel willkommen hießen, ist eigentlich nur mit der Wut dieser Finanzminister zu erklären - der Wut auf die zypriotischen Regierungen der letzten Jahren und der Wut auf die russischen Geldwäscher. Endlich mal eine emotionale Gemeinsamkeit zwischen Schäuble, Merkel und Putin...

Denn funktional ist es sicher nicht, was da in den letzten Sitzungen der EU-Finanzminister beschlossen wurde. Ich persönlich finde es sogar ausgesprochen dumm. Jedermann weiss, dass Geld eigentlich nur eine Fiktion ist, die davon lebt, dass keiner sie in Frage stellt. Wenn vor Jahren Steinbrück und Merkel verkündeten, die Sparkonten seien sicher, und nun beschließen die EU-Minister, Sparer zu enteignen, dann ist deren Vertrauen (auch wenn sie nicht in Zypern leben) dahin...

Dumm, wirklich: dumm wie Schifferscheiße (wie der Volksmund sagt). Denn nunmehr glaubt ja die Oma in Hintertupfingen auch nicht mehr, dass das Geld bei der Bank gut aufgehoben sei, sondern steckt es unter die Matratze. Dass das auch nicht wirklich hilft, ahnt sie vielleicht..., aber trotzdem...

Es geht bei allen irgendwie institutionalisierten Entscheidungsvorgängen - aus einer funktionalen Perspektive betrachtet - um Unsicherheitsbeseitigung. Hier wird Unsicherheit erzeugt und multipliziert.

Wenn die Besitzer von Anleihen enteignet werden, ist das natürlich im Prinzip auch nix anderes, aber psychologisch sehr wohl. Denn da bleiben die Sparkonten sicher. Eine europäische Einlagensicherung bis 100.000,- Euro zu beschließenund dann die Idee zu propagieren, dass dies in Zypern nicht gilt, ist einfach blöd. Schließlich ist Zypern Mitglieder der EU.

Aber, meine These: Es geht - wie es (glaube ich) Schäuble gesagt hat - um das "Geschäftsmodell" Zyperns. Von wem auch immer diese Formulierung stammen mag, auch sie ist ziemlich blöd. Denn Nationen sind keine Unternehmen. Sie müssen anders geleitet werden, und sie müssen auch keinen Profit erwirtschaften und keine guten oder schlechten Geschäfte machen, denn sie haben andere Aufgaben als Unternehmen.

Aber diese Formulierung deutet darauf hin, dass die These, es bestehe inzwischen eine harte Konkurrenz auf dem "Markt der Staaten" um die Steuerzahler, wahrscheinlich nicht so abwegig ist.

Man sollte noch mal in Ruhe nachdenken, ob es wirklich so schlau ist, diese Art von Wettbewerb zu etablieren bzw. aufrecht zu erhalten... Denn, wie gesagt, die Funktion von Staaten ist nicht (!) möglichst reich zu werden, viel zu exportieren, Zahlungsbilanzüberschüsse zu erzieln usw., sondern - die Ökonomie nur als unvermeidliche Randbedingung akzeptierend - die Lebensbedingungen ihrer Bürger zu verbessern bzw. deren Standard, wenn er denn hoch genug sein sollte, zu sichern.

Zurück zu den Finanzministern: Ich denke, dass die klammheimliche Freude über die Enteignung von russischen Oligarchen - wenn sie denn tatsächlich stattfinden sollte - sich langfristig rächen wird... Es wäre sicher auch anders möglich gewesen, den Staatsbankrott Zyperns zu verhindern. Und verursacht wurde er ja letztlich eh von den EU-Finanzministern, die eine radikale Abwertung der Anleihen des griechischen Staates durchgesetzt hatten, die zu einem guten Teil im Besitz zypriotischer Banken waren, die jetzt von ihrem Staat gerettet werden müssen, der sich daher unangemessen hoch verschuldet hat...