Einfach gestrickte Männer

Geschlechtsunterschiede zu benennen ist riskant. In der Huffingtonpost vom 26.5.2015 schreibt Matthias Saleem Riek eifrig gegen unterstellte Geschlechtsunterschiede. (http://www.huffingtonpost.de/saleem-matthias-riek/sexualitaet-maenner-maennlichkeit_b_7439988.html). Männer seien nicht so einfach gestrickt. Damit meint er (unter anderem) eine Äußerung von mir. Ich hatte mich in einem Interview zu der Äußerung hinreißen lassen, männliche Sexualität sei „vielleicht tatsächlich einfacher als die der Frau“. (http://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2015-05/sexkolumne-maennerphantasien)


Der Haken bei solchen Aussagen ist natürlich der, dass man damit ungewollt typisiert, indem man Unterschiede zwischen den Kategorien vergrößert und Unterschiede innerhalb der Kategorien bagatellisiert. Statistisch ausgedrückt überdeckt die Varianz leicht den Mittelwerts-Unterschied. Das liegt in der Logik solcher Vergleiche. Aber mit dieser Unschärfe im Blick – stimmt es nicht? Oder stimmt es - und ist halt nicht so schön?


Mich haben ein paar Unterschiede veranlasst, die Vereinfachung zu riskieren. (Dabei ist die eigentlich schwerwiegendere Formulierung-Vergehen zu sagen, dass Männer „gestrickt“ seien. Aber das sei mal übersehen.):



  • Die Orgasmusmuster von Männern sind untereinander ähnlicher als unter Frauen: Fast alle Männer haben beim Geschlechtsverkehr einen Orgasmus, fast keiner mehr als einen. Bei Frauen ist die Variation weitaus größer: Viel Frauen haben keinen Orgasmus beim Koitus, nicht wenige zwei oder mehr Orgasmen.

  • Sexuelle Fantasien sind – allen empirischen Studien zufolge - auf optische Reize konzentriert, bei Frau sind sie weitaus variabler.

  • Männer reagieren „spezifischer“ als Frauen auf sexuelle Reize. Bei Laborstudien zeigt sich, dass Männer entsprechend ihrer sexuellen Präferenz reagieren (also homosexuelle Männer auf homosexuelle Reize, heterosexuelle Männer auf heterosexuelle Reize), Frauen dagegen „unspezifischer“, sie sind also in ihren Reaktionen weniger festgelegt

  • Die sexuelle Motivation von Frauen ist weitaus kontext- (also beziehungs- und situations-)abhängiger als die von Männern (auch das ist empirisch gut belegt).

  • Dass, um Sex zu haben „Männer eine Gelegenheit, Frauen dagegen einen Grund brauchen“ ist die verkalauerte Tatsache, dass Frauen wählerischer sind als Männer, wenn sich Verführungssituationen ergeben.

  • Die Pharma-Industrie verzweifelt daran, dass sie bisher keine weibliche Lustpille entwickeln konnte, die ähnlich wie Viagra für Männer mit einfachen Mitteln viele Fragen löst. Die weibliche Sexualität sei zu kompliziert, ließ Pfizer (der Hersteller von Viagra) vor Jahren verlauten, als die Firma diese Forschung frustriert einstellten.


Riek ist nicht an statistischen Durchschnittsaussagen interessiert, sondern an Potentialaussagen. Dazu hat er ein, wie ich finde, schönes Buch vorgelegt. „Mich interessieren eher reizvolle Möglichkeiten als Durchschnitt“, schreibt et. Ja klar. Im Reich der Möglichkeiten ist alles anders.


Es ist nur ziemlich geschenkt, schöne Potenziale gegen nüchterne Daten auszuspielen, farbig gegen grau, Wünsche gegen Tatsachen. Aber egal. Ich freue mich schon auf die Zeit, in der die Potenziale der differenzierten Männer zum Mainstream werden.