Neurosexismus

 Daß Frauen schlecht einparken und Männer schlecht zuhören können, soll eine zwar witzig kommentierbare, aber eben doch Tatsache sein. So bespaßen viele Studien der Verhaltensbiologie und Neurowissenschaften eine ganze Reihe von angeblichen Geschlechtsunterschieden.


Die knöpft sich die Wissenschaftsjournalistin Cordelia Fine („Die Geschlechterlüge“) vor  und läßt nicht viel Substanz übrig: Große Teile dieser Forschung bedienen durch selektive Darstellung alte Stereotype und  erklären sie unzulässigerweise durch relevante Unterschiede der männlichen vs weiblichen Gehirne. Minimale Unterschiede werden aufgeblasen und Studien, die keine Unterschiede finden, gar nicht erst publiziert.


Neurosexismus nennt Fine das und illustriert wunderbar, wie kontextabhängig solche Unterschiede sein können.


Beispiel: Ein Geschlechtereffekt zugunsten der Männer ergibt sich bei einem Rotationstest, bei dem Probanden eine mehrfach im Raum gedrehte dreidimensionale Figur identifizieren müssen. Männer – so das Fazit – haben ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen.


Wenn man nun den Probanden den Test vorher so ankündigt, dass ein gutes Testergebnis auf eine besondere Eignung für Blumenarrangements und Innenausstattung hindeute, verliert sich der Geschlechtsunterschied: Männer liefern schlechtere Ergebnisse.


Geschlechtertypische Leistung ist also (auch) eine Frage der geschlechtertypischen Motivation. Die wird nicht über kontextneutrale Hirnaktivität, sondern über Kommunikation erzeugt. Geschlechtsunterschiede sind eben nur teilweise „objektive Fakten“. Und selbst dann sind sie nur ein Teil gesellschaftlicher Erzählungen, die man (a) als Stereotyp festschreiben oder (b) immer auch anders erzählen könnte.


Mir ist (b) lieber. Dann können Männer nämlich zuhören und Frauen einparken.