Nicht-genitaler Orgasmus

Der Orgasmus ist weniger ortsgebunden als man denken sollte. In einer ausführlichen Fallsammlung berichten Barry Komisaruk und Beverly Whipple, beides ausgewiesene  Sexualforscher, über eine ganze Reihe von nichtgenitalen Stimulationen, die zu einem Orgasmus führen können:


Reizung an bestimmten Körperzonen („Zonenorgasmus“): Anus, Hand, Schulter, Brust und Brustwarzen, Mund, Nase, Knie, Prostata, Ohrläppchen, sogar an Phantomgliedern. Leider erfährt der Leser nicht, ob das stimulierte Körperteil auch das „Erfolgsorgan“ ist, oder ob sich z.B. die Ohrenreizung bis zum Genital durchspricht. (Wer „Ziemlich beste Freunde“ gesehen hat, wird aufhorchen.)


Nicht nur das, auch in bestimmten Situationen (beim Gebären, im Schlaf, bei epileptischen Anfällen, bei direkter elektrischer Frontalhirn und Rückenmarkstimuation)  sollen Orgasmen berichtet worden sein.


Obwohl ich bekennendes Mitglied im Club der Staunenden bin (Losung: „Was es nicht alles gibt!“), überzeugt mich diese Materialsammlung noch nicht so recht, weil sie so behavioristisch nach einem Reiz-Reaktions-Schema angelegt ist. So liest sich die Empfehlung der Autoren, seinen Körper genau auf eventuell unentdeckte Vergnügungszonen zu untersuchen, mehr pädagogisch als reizvoll.


Im Gegensatz zu der irgendwie angestrengten Idee, potentiell den ganzen Körper orgastisch zu besetzen, finde ich die Vorstellung von orgasmusfreien Körperzonen viel attraktiver. Damit der Körper auch mal Ruhe vor der dauernden Sexualisierung hat.


Quelle: Sexual and Relationship Therapy 2011 (26) 4, 356-372