Sexuelles Bedauern

Bedaure ich mehr, etwas getan zu haben, das ich besser unterlassen hätte oder umgekehrt, etwas unterlassen zu haben, was ich besser getan hätte? Dahinter bewegt sich eine existentiell relevante Frage: Habe ich richtig gelebt?


Das lässt sich ohne viel Umwege auch auf das eigene Sexualleben anwenden: Habe ich reizvolle Gelegenheiten verbaselt oder habe ich mich auf verzichtbaren Blödsinn eingelassen?


Eine Untersuchung über „sexual regret“ findet hier große Geschlechtsunterschiede: Männer bedauern viel mehr als Frauen die verpassten Gelegenheiten. Frauen dagegen nehmen sich mehr als Männer übel, wenn sie sexuelle Begegnungen  nicht entgangen sind, die sie im Nachhinein negativ bewerten.


Die verhaltensbiologisch orientierten Autoren erklären das mit dem geschlechtsabhängig unterschiedlichen Preis einer möglichen unerwünschten Schwangerschaft.  Mir leuchtet diese Erklärung für verhütungskompetente Frauen nicht ein. Dass sie nicht schwanger werden, können sie bereits bei dem später missbilligten Sexualkontakt einschätzen.   Postmenopausale Frauen müssten demnach ein anderes – den Männern ähnliches - Muster zeigen. Leider gibt die Studie darüber keine Auskunft.


Ich finde das Konzept des sexual regret interessant für die Frage, wieweit man mit seiner sexuellen Biographie im reinen ist.  Vermutlich ist nicht die Häufigkeit solcher im Nachhinein bedauerter Entscheidungen besonders relevant, sondern eher eine Haltung der Bedauernsbereitschaft, die die Färbung der eigenen sexuelle Lebensgeschichte bestimmt.


Man hat die Wahl, sich zu den eigenen Paarungs-Fehlentscheidungen eine eher melancholische Geschichte zu erzählen oder eine eher fehlerfreundliche.  Ambivalenzfreie Biographien sind allerdings langweilig. Das gilt für konsequente Verführungsresistenz ebenso wie für blinden Hedonismus. Ich finde, es braucht eine – nicht zu große – Grundausstattung mit bedauerten Entscheidungen als Kontrasthintergrund, damit man sich an den bejahten Entscheidungen so richtig freuen kann.


Den geschätzten Blog-Lesern wünsche ich für 2014 ein Jahr voller lebensqualitätserhöhender sexueller Entscheidungen!


Quelle: Archives of Sexual Behavior 2013, 42, 1145-11161