Die USA und die Gewalt

In der Washington Post vom Wochenende war ein interessanter Artikel über die Geschichte der Waffenlobby-Organisation (NRA) zu lesen, der Anlass gibt, ein wenig über die Beziehung der Amerikaner zur Gewalt nachzudenken.


Die USA sind ja durch einen Aufstand gegen den Staat begründet worden (Boston Tea Party usw.). Es waren wehrhafte Bürger, welche bereit waren, mit der Waffe in der Hand für ihre Freiheit zu kämpfen. Und es war eine Freiheit, die gegen den Staat mit Gewalt durchgesetzt wurde - wobei es kein Zufall sein dürfte, dass der Grund für den Aufstand als unangemessen erlebte Steuern waren.


So sind gewissermaßen zwei "Gene" bereits bei Gründung der USA wirksam: ein Mißtrauen gegen den Staat, der dem Individuum die Freiheit nimmt. Und dieser Freiheitsentzug wird durch Steuern symbolisiert. Dem steht entgegen die Wehrhaftigkeit des Einzelnen, was durch den individuellen Waffenbesitzt repräsentiert wird.


Doch das führt zu einer Paradoxie. Wenn man Norbert Elias recht gibt (was ich tue), dass sich der Prozess der Zivilisation bzw. sein Ergebnis im Etablieren eines Gewaltmonopols zeigt, dann hat der Staat - gerade, weil er die Möglichkeiten des Einzelnen, sein Recht selbst in die Hand zu nehmen (mit dem Sturmgewehr) - durch sein Gewaltmonopol eine zivilisierenden Funktion. Wenn gegen dieses Monopol gekämpft wird, dann entsteht solch eine - aus europäischer Sicht - quasi mittelalterliche Situation, wo jeder sein Heim zur Festung ausbauen muss, um sich sicher zu fühlen. Und dann kommt es zur Selbstverstärkung eines Prozesses, bei dem immer mehr Leute Waffen kaufen, weil immer mehr Leute Waffen kaufen. Wenn man der einzige ist, der keine Waffe besitzt und nicht vom Staat geschützt wird, dann wird man zu Opfer und Verlierer.


Wenn man hingegen vom Staat geschützt werden will, um keine Waffen kaufen zu müssen, dann muss man ihm das Geld dazu geben usw. So folgen US-Waffen- und Steuergesetze derselben, nicht-zivilisierten Logik.


Und deswegen (u.a.) leben manche Menschen (z.B. ich) lieber in Europa als in den USA.


Der Artikel der WP:


http://www.washingtonpost.com/politics/how-nras-true-believers-converted-a-marksmanship-group-into-a-mighty-gun-lobby/2013/01/12/51c62288-59b9-11e2-88d0-c4cf65c3ad15_story.html?hpid=z1