Euro

Das Problem mit dem Euro war ja vorher zu sehen, zumindest, wenn man mit einer systemtheoretischen Brille schaute... (trotzdem habe ich es damals praktisch gefunden, dass er eingeführt wurde, obwohl der Konstruktionsfehler offensichtlich war).


Der Grund für die Probleme liegt - systemisch gesehen - im Aufgeben der eigenen Autonomie, wenn man eine fremde oder übergeordnet verbindliche Währung (Norm, Bewertungskategorie oder funktionell Äquivalentes) übernimmt.


Das Verhalten autopoietischer Systeme ist innengesteuert, durch ihre internen Strukturen , d.h. durch die eigenen Selektionskriterien (=Bewertungsmaßstäbe), bestimmt.


Das gilt für menschliche Individuen wie für soziale Systeme, seien es nun Organisationen oder Staaten etc. Wer sich an von außen gesetzten, aber von ihm akzeptierten Maßstäben in seinem Verhalten orientiert - z.B. Qualitätsansprüchen - ist nicht mehr frei, zu tun, was er will. Er kann nicht mehr einfach mit sich und er Welt zufrieden sein, weil er sich und die (z.B.moralische, fachliche, ästhetische) Qualtiät seines Verhaltens (z.B. seiner Kunst, seines Könnens) nach Maßstäben bewerten läßt, die eine Objektivierung (=interpersonelle Übereinkunft über die Beurteilung) der Qualtiät ermöglichen.


Die Autonomie des Individuums besteht darin, sagen zu können: "ist mir doch egal, was die anderen denken oder meinen oder wie sie mich und mein Verhalten beurteilen."


Man kann seine Maßstäbe, seine Ehrgeiz, seine Ansprüche etc. reduzieren, um weiterhin glücklich zu sein mit sich und seinem Leben.


Analoges gilt für soziale Systeme. Man kann als Nation mit einer eigenen Währung, seine Währung abwerten und den Umrechnungskurs so verändern, dass man im Außenverhältnis weniger für sein Geld bekommt, aber intern trotzdem weiter in etwa so leben kann wie vorher.


Akzeptiert man eine gemeinsame Währung, ist die Autonomie dahin. Denn nun sind alle internen Prozesse dem Vergleich ausgesetzt. Wenn jemand was billiger oder besser nach der Meinung dritter herstellt oder anbietet, dann wird es eben bei dem gekauft usw.


Von Ross Ashby, einem der Gründerväter der Kybernetik, stammt der Begriff der "too-richly-cross-joined systems". So charakterisiert er Systeme, zwischen denen es keine ausreichende Grenzenbildung gibt. Die Folge ist, dass die Komplexität der Wechselbeziehungen sich so potenziert, dass die Berechenbarkeit und damit die Steuerbarkeit solcher Systeme verloren geht.


Alles im Moment gut zu beobachten in Europa. Die Kehrseite der Auflösung bzw. neuen Durchlässigkeit von Grenzen.


(All diese Überlegungen sollten kein Argument gegen die europäische Einigung sein, sondern ein Plädoyer für die Anwendung systemtheoretischer Modelle bei diesem Prozess bzw. der Entscheidungsfindung...)