Heiligsprechungen

Wahrscheinlich gibt es ja Heilige. Ich weiss zwar nicht, an welchen Bewertungskriterien man solch eine Zuschreibung man festmachen sollte, aber wahrscheinlich dürfte sich die Heiligkeit im Verhalten der Betreffenden manifestieren bzw. man könnte ihr Verhalten so bewerten und diese Charakterisierung auf die ganze Person übertragen...


Aber was heute in Rom geschieht, scheint mir etwas ganz anderes zu sein. Es gleicht ja eher der Verleihung eines Ordens oder der Feier nach bestandenem Examen. Zwei ehemalige Päpste werden "in die Liste der Heiligen aufgenommen" (so die offizielle Formel).


Es ist also ein formaler Akt, der die öffentliche Identität der betreffenden Personen verändert. Sie haben ab jetzt gewissermaßen das Recht, mit ihrem Titel angesprochen zu werden.


Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich komisch. Dass aus einem "normalen" Menschen durch einen Verwaltungsakt ein "Heiliger" werden soll; so wie jemand nach bestandener Doktorprüfung offiziell zum "Gelehrten" wird (auch wenn er vielleicht ein Idiot ist - deswegen werden solche Titel ja besonders gern von etwas schlichteren Geistern, die es eigentlich nicht "bringen", vor sich hergetragen; manche sammlen sie sogar). Beim Heiraten ist es ja ebenfalls so, dass durch einen Verwaltungsakt die Identität der Betroffenen verändert wird - und, was nicht ganz unwichtig ist, die Steuerklasse. Aber wie ist das bei Toten?


Mir scheint, die Kirche als Organisation folgt hier nur dem, was eh schon passiert: Zwei Menschen werden verehrt und wie Heilige vom gemeinen Volk behandelt, und die Kirche offizialisiert das durch die Aufnahme in die Liste. In Zukunft kann man zu den beiden Ex-Päpsten auch beten... Das hat etwas Basisdemokratisches.


Dass so kurz nach ihrem Tod schon irgendwelche Personen in diese Liste aufgenommen werden, ist nicht ohne Risiko. Denn nur wenn alle potemtiellen Zeugen tot sind, die jemals mit den Heiligkeitskandidaten zu deren Lebzeiten zu tun hatten, können keine bösen Überraschungen mehr drohen. Was Vroniplag für die Doktoren vollzieht, könnte analog auch für den Titel "heilig" praktiziert werden...


Hier, scheint mir, haben die Verwalter der Liste eine pfiffige Methode gefunden, sich und ihr Urteil abzusichern: Es geht formal gar nicht um einen tadellosen Lebenslauf, sondern um vollbrachte Wunder. Und die sind wahrscheinlich leichter zu beweisen als ein heiliges Leben. Positivdefinition statt Negativdefinition.


Wie die alte Schlagerweisheit sagt: "Wunder gibt es immer wieder..."