Homophobie/Homophilie

Um gleich klarzustellen: Ich habe mich bislang nicht näher mit der Homophobie-Forschung beschäftigt. Aber das Hitzlsberger-Syndrom veranlaßt mich doch, nach eine Erklärung zu suchen, warum gerade ein Profifußballer solch ein Aufsehen durch sein Outing erregt.


Um meine These gleich zu beginn zu formulieren:


Nur wenn jemand aus einer gesellschaftlichen Untergruppe, die homophil (!) organisiert ist, sich als homosexuell outet, ist es skandalträchtig und aufsehenerregend. Denn das eigentliche Tabu, gegen das verstoßen wird bzw. das es zu sichern gilt, ist die Homophilie dieses gegenüber Frauen abgeschlossenen Subsystems. Beispiele: Fußballer, Top-Manager, katholische Bischöfe usw. (in den letzten beiden Fällen fehlen noch ein paar Outings).


Fußball wird ja in der Regel nicht von gemischtgeschlechtlichen Mannschaften gespielt. Männer sind unter sich. Genauso war es über Jahrzehnte beim Militär. Wo Männer unter sich sind, ist eine zentrale Identität stiftende Innen-außen-Unterscheidung die Mann-Frau-Unterscheidung. Deswegen war bis vor kurzer Zeit auch Homosexualität beim US-Militär strafbar und ein Grund der Entlassung aus dem Militärdienst. In Deutschland dürfte es nicht anders sein (da habe ich keine Informationen bzw. mich noch nicht schlau gemacht).


Die Mann-Frau-Unterscheidung ist zunächst ja erst mal biologisch, d.h. sexuell, definiert. Daher gewinnt die sexuelle Orientierung eine zentrale Bedeutung für die Gruppenidentität bzw. die Identität derer, die dazu gehören und/oder sich mit ihr identifizieren (z.B. die Fans in der Ostkurve). Solche homophil organisierten Subsysteme zeichnen sich oft auch durch offen kommunizierte Frauenfeindlichkeit aus.


Wenn sich nun ein Mann nicht mehr - der traditionellen Vorstellung entsprechend - sexuell wie ein Mann verhält, bedroht er die männliche Identität aller, die sich der jeweiligen Gruppe zurechnen/mit ihr identifizieren. Die sexuell definierte Grenze der Innen-außen-Unterscheidung ist nicht mehr sicher. Daher die scheinbar unerklärlichen Aggressionen gegenüber denjenigen, die diese Identität bedrohen könnten (sollte nicht als Entschuldigung mißverstanden werden).


Auch das Top-Management ist eine reiner Männerklub. Auch hier werden Frauen systematisch und von der Sache her nicht begründbar draußen gehalten; und passend dazu gibt es auch immer wieder die - nur selten in den Blick der Öffentlichkeit geratenden - sexuell definierten Rituale in diesen Kreisen (Stichwort: "Lustreisen").


Wo immer Frauen in ihrer gleichberechtigten Funktion akzeptiert sind und alltäglich wahrnehmbar sind - z.B. als Ministerpräsidentinnen, Ministerinnen, Kanzlerin etc. - da sind Outings kein Problem (Wowereit, Westerwelle), weil sie nicht irgendeine männlich definierte Gruppen-Identität gefährden. Beim Fußball ist das aber immer noch der Fall, beim Top-Management ebenfalls, und bei katholischen Bischöfen wird die Problematik elegant verschleiert, weil letztlich ja jede Form des sexuellen Outings ein Skandal wäre.


Ein kluger Mensch hat mal gesagt: "Es geht immer um Sex, außer beim Sex - da geht es um Macht." Bezogen auf die Funktion von Sex für Gruppen und für die Identität ihrer Mitglieder gilt m.E. Ähnliches: Es geht nicht um Sex.