House of Cards

Auf dringende Empfehlung eines guten Freundes, der Schauspieler ist und sich (aufgrund seines großen Leidensdrucks) bei mir manchmal über die lausige Qualität des deutschen Fernsehens beschwert, habe ich mir die gesamte erste Staffel der US-Netflix-Serie "House of Cards" angesehen.


Sie zeigt, wie in der Politik der USA, d.h. in Washington, D.C., Intrigen gesponnen, Lobbyarbeit geleistet und jeder Einzelne korrumpiert wird bzw. es schon war, als er in die Politik ging.


Was mich beim Anschauen der Videos fasziniert hat, ist, dass hier eine Serie erfolgreich ist/werden konnte, in der eigentlich keiner der "Helden" sympathisch ist oder zur Identifikation des Zuschauers mit ihm bzw. seinem Verhalten einlädt. Mit Ausnahme einiger eher blass bleibender Nebenfiguren, von denen man nicht genug weiss, um sich ein Urteil zu erlauben, haben eigentlich alle Hauptpersonen Dreck am Stecken, sind Gauner, die lügen und betrügen, was das Zeug hält, um den eigenen Partikularinteressen zum Sieg zu verhelfen. Es gibt - und das scheint mir der zentrale Punkt - keinerlei zuverlässigen Beziehungen zwischen den Akteuren, kein Vertrauen, das nicht mißbraucht würde, kein Wort, das langfristig gilt usw. Jeder für sich und alle gegen alle. Es gibt nur temporäre Koalitionen, die jeweils von der aktuellen Möglichkeiten, den anderen für die eigenen Zwecke zu nutzen bestimmt werden und genauso schnell wieder aufgelöst werden, wie sie geschlossen werden.


Diese Abwesenheit von positiv idealisierten oder idealisierbaren Heldenfiguren widerspricht den klassischen narrativen Mustern der westlich-europäischen Kultur wie auch des Hollywood-Kinos. Wann immer man sich eingeladen fühlt, sich mit einer der zentralen Figuren zu identifizieren, überkommt einen sofort der Zweifel: Will ich eigentlich mit solch einer Type mitfiebern, mitintrigieren, mitbescheißen...?


Das macht es für den Zuschauer anstrengender zuzuschauen als bei der gewohnten TV-Kost. Er kann sich dabei des Gefühls nicht erwehren, dass all dies, was da gezeigt wird, exemplarisch und eben eigentlich kein Kino, sondern ziemlich realistisch ist. Keine positiven Idealisierungen, kein Ei-tei-tei, kein Komödienstadel... Also eine aufklärerische Serie: Ja, so läuft das alltägliche politische Spiel wohl tatsächlich.


Natürlich nur in den USA.