Schamgefühl gratis (Gastbeitrag von Beate Ulrich)

Neulich mailte mir ein Autor, dass er sich leicht beschämt fühlt, wenn jemand öffentlich etwas Positives zu seinem neuen Buch sagt. Ich frage mich: Wieso?


In 24 Jahren Verlagstätigkeit habe ich viele Autoren (es sind auch immer Autorinnen gemeint), kennengelernt und mit ihnen über ihre Bücher und über den Verkauf/das Marketing ihrer Bücher gesprochen. Autoren sind so unterschiedlich in ihrer Meinung über ihr Werk wie ihre Bücher.


Die einen freuen sich über ihr Buch, nehmen brav die Vorschläge des Verlags zur Vermarktung an und verhalten sich ansonsten eher still, aber sie zeigen Ihr Buch – manchmal leicht beschämt, denn Eigenlob stinkt ja bekanntlich.


Es gibt Autoren, die werfen ihr Manuskript in den Verlag, unterschreiben einen Vertrag, und das nächste, was man von ihnen hört ist, dass das Honorar noch nicht überwiesen wurde. Na ja.


Und es gibt die Autoren, die sich bitten lassen und sich dazu veranlasst sehen, dem Verlag mitzuteilen, das eigene Buch sei so gut, dass es von den Kunden ohnehin gefunden würde und man deshalb für die Vermarktung gar nichts tun müsse. Außerdem seien die Marketingideen des Verlags ohnehin nicht akzeptabel. Das Ergebnis solcher Denkweise ist, dass die Kunden das Buch immer noch suchen, sprich: Es verkauft sich nicht und wird bei der nächsten Lagerbereinigung makuliert (d. h., es kommt in den Reißwolf).


Dann wiederum gibt es Autoren, die immer wieder mit neuen Ideen kommen, wo man die Zielgruppe noch ansprechen bzw. finden könnte, welche Sonderaktion zusätzlich möglich wären usw. – Autoren zum Knutschen, und zum Glück gibt es viele davon. Und falls sie es dann auch noch aushalten, wenn man ab und zu mal feststellen muss, dass manche Aktionen schlichtweg nicht möglich sind, dann sind wir alle überglücklich. Und, nebenbei gesagt, die Bücher dieser Sorte Autoren verkaufen sich gut.


Liebe Autoren und Autorinnen, nehmen wir mal an, Sie bauen einen Schrank. Sie machen alles selbst, vom Einkauf des Holz, des Leims, der Beize..., bis hin zum notwendigen Werkzeug. Sie arbeiten eineinhalb Jahre an dem Schrank, verzahnen ohne zu nageln, schmirgeln, drechseln usw. Und irgendwann ist das tolle Stück fertig. Sind Sie stolz auf den Schrank? Und wenn jemand zu Besuch kommt, zeigen Sie den Schrank? Und zeigen Sie, wie stolz Sie sind, das tolle Teil mit den eigenen Händen gemacht zu haben? Freuen Sie sich über das Staunen und das Lob der Betrachter? Ganz bestimmt, da bin ich mir sicher!


Fast bin ich geneigt zu sagen: Leider ist ein Buch kein Schrank! Das Schreiben eines Buches kann durchaus ebenfalls mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Es macht viel Mühe, verlangt Organisation, Planung, Energie und Kraft, Sorgfalt und Pflege. Und wenn es fertig ist und jemand bemerkt, dass es klasse ist, dann beschleicht den Autor ein Schamgefühl – wenn auch ein klitzekleines? Das verstehe ich nicht.


Liebe Autoren, seid stolz auf Euer Buch und zeigt es auch. Es ist Euer Verdienst, dass es entstanden ist und es ist Euer Verdienst, dass es verlegt wurde. Und eines kann ich aus meiner Erfahrung sagen – nur dann verkauft es sich auch.