Steinmeier

Persönlich finde ich Steinmeier sympathisch und mir scheint er eine gute Wahl als Bundespräsident.


Dennoch gibt es aber etliches, was gegen ihn spricht: Er hat einen gehörigen Anteil an der Agenda 2010, deren Wirkungen zwiespältig zu bewerten sind. Sie hat zum einen die SPD in die Bedeutungslosigkeit geführt, da sie zu deren Spaltung führte. Und diese Spaltung hatte berechtigte Gründe: Die Agenda hat zur Entstehung eines Niedriglohnsektors in Deutschland geführt, so dass große Teile der Bevölkerung ziemlich lausig verdienen (und dann auch nicht viel besser leben). Außerdem hat sie zur Spaltung in Europa geführt, wo gegen die deutsche Billiglohnkonkurrenz kein Land mehr anstinken kann. Hier muss sicher viel geändert werden in Zukunft, wenn Europa noch eine Chance haben soll und wenn innerhalb der BRD das rechte Lager nicht noch mehr Zulauf gewinnen soll (obwohl mit Hartzern und Eineurojobbern als alleinigen Wählern man sicher keine REgierungsverantwortung übernehmen wird).


Dann ist da nocht Murat Kurnaz. Er wartet auch immer noch auf eine Entschuldigung, dass das Außenministerium unter Steinmeier sich nicht um ihn gekümmert hat, als er nach Guantanamo verschleppt wurde.


Kann man von alledem absehen? Ich meine, es gibt keine Verantwortungsträger, denen nicht irgendwelche Fehlentscheidungen (die sie ja nicht allein treffen) vorzuwerfen sind. Ich denke, dass Steinmeier bislang alles in allem trotzdem einen ganz guten Job gemacht hat.

Er ist in der Bevölkerung beliebt, nimmt Positionen ("Trump ein Hassprediger!") ein und vertritt sie auch, versucht eine vermittelnde Rolle in weltweiten Konflikten einzunehmen (was nicht immer gelingt, denn zur Konfliktlösung bedarf es ja immer der Bereitschaft der Konfliktparteien), aber er versucht es wenigstens.

Jetzt wird er Bundespräsident. Eine gute Entwicklung, wie ich finde. Ein Mensch, den man international vorzeigen kann. Er steht für ein Deutschland, das sich weder über- nocht unterschätzt. Auch wenn er in diesem Amt keine exekutive Funktion hat, so haben wir doch schon erleben können, dass Bundespräsidenten die Stimmung im Lande (einfach durch Reden) verändern konnten ("Ruckreden"). Er steht für demokratische Strukturen und Prozeduren, was heutzutage ja schon bemerkenswert ist. Er versucht nicht den Seehofer zu geben und populistische Parolen zu verbreiten. Manche Leute sagen, er sei zu glatt, zu lieb, zu wenig Kontroversen wagend. Mag sein. Aber das schadet dem Amt ja nicht, wenn er sich um weitgehende Akzeptanz bemüht. Wenn er das hinbekäme, ohne sich zu verbiegen, wäre das ziemlich gut.


Ich finde es ein gutes Zeichen, dass die große Koalition sich auf ihn einigen konnte (aber vielleicht bin ich ja zu kleinbürgerlich in meiner Einschätzung...). Wenn ich noch hinzu nehme, dass trotz massiver Propaganda von AfD und CSU immer noch ca. 8 Millionen Menschen freiwillig in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, während die AfD nur 22.000 Mitglieder hat, dann wirft das m.E. Licht auf ein Deutschland, in dem zu leben mir immer nocht recht attraktiv erscheint...