The Spirit of '45

Noch eine Premiere, bei der ich auf der Berlinale war. Ein Film von Ken Loach mit dem o.g. Titel. Er zeigt in dokumentarischen Aufnahmen und anhand einer Vielzahl von Interviews, wie die soziale Lage in Groß Britannien vor dem Zweiten Weltkrieg war und wie sie sich nach dem Krieg veränderte.


Vor dem Krieg war die Verelendung ziemlich stark, obwohl GB ein riesiges Kolonialreich beherrschte und extrem reich war. Die meisten Arbeiter konnten sich keine Arztbesuche leisten, wurden extrem ausgebeutet, lebten in Slums, und die Infrastrukturen des Landes waren in desolatem Zustand.Die Eisenbahnen etc. waren in Privatbesitz und wenig funktionierend.


Im Krieg änderte sich das radikal. Unter der Leitung von Labour-Ministern im Churchill-Kabinett wurde die Effektivität der Industrie gesteigert, die Bahn funktionierte, ganz allgemein lässt sich sagen, dass England aufgrund einer kollektiven und koordinierten Anstrengung den Krieg gewinnen konnte.


Nach dem Krieg wurde der Held des Krieges (Churchill) in einem Erdrutschsieg der Labourparty aus dem Amt getrieben, und die Minister, die im Krieg schon ihre Fähigkeiten bewiesen hatten, machten sich daran, den Sozialismus zu organisieren.


Es wurde ein staatliches Gesundheitssystem etabliert (NHS), die Bahn und die Minenindustrie, die Stromversorgung etc. wurden verstaatlicht, billige und hoch qualitative Wohnungen und Häuser wurden gebaut...


Ergebnis war ein extremer Anstieg der Lebensqualität der Durchschnittsbevölkerung. Das hielt (mehr oder weniger) an, bis Margaret Thatcher dem ein Ende machte.


Sicher sind deren Aktivitäten nicht ohne einen Reformbedarf der Industrie und der Institutionen zu erklären, der allgemein erlebt wurde. Aber, und das scheint der wichtigere Faktor: die Labour-Party hat nicht wirklich für die Erhaltung des eigentlich sehr erfolgreichen Modells der staatlichen Industrie und die Rechte der Gewerkschaften gekämpft. Auch sie hatte sich der - pseudowissenschaftlichen - Ideologie der Chicago-Schule angeschlossen (wie dann später Tony Blair und bei uns Gerhard Schröder)...


Ein interessanter Film, der immer wieder Szenenapplaus bekam.


Und herzerwärmend zu sehen, dass es das noch gibt: Ken Loach, ein bekennender Sozialist. Ein wenig aus der Zeit gefallen, aber lieb. Auch wenn man nicht alle seine Konzepte für sinnvoll halten muss (denn aus systemischer Sicht ist die alte Rechts-links-Unterscheidung nur noch begrenzt passend).