Warum wir mehr Verachtung zeigen sollten!

Wie erhält und tradiert eine Gesellschaft ihre ethischen Werte? Da gibt es zum einen die Gesetze, die Normen definieren, welche gegebenenfalls mit Hilfe des staatlichen Gewaltmonopols durchgesetzt werden. Aber das ist ja nur ein kleiner Teil dessen, was das Verhalten von Individuen steuert. Nicht alles, was negativ in einer Kultur bewertet wird, ist rechtlich relevant.


All die anderen Umgangsformen, in denen es um Werte geht, werden durch die Spielregeln des Achtungserweis gesteuert, die man auch als moralische Regeln definieren kann. Wer sich "unanständig" verhält, erntet die Mißachtung oder gar Verachtung seiner Mitbürger. Und wer etwas tut, was allgemein als der Gemeinschaft dienlich bewertet wird, wird geehrt (z.B. durch "Verdienstorden").


Das heißt aber, wer nicht will, dass die Spielregeln des Umgangs, speziell der Politik, verkommen (man könnte solch eine Person auch "wertkonservativ" nennen), wird nicht umhin kommen, seine Bewertung in die Kommunikation zu bringen.


Aus meiner Sicht muss man z.B. Donald Trump und seine Schergen (inklusive all der fundamentalistischen US-Christen), die - wahrscheinlich gesetzeskonform - durchsetzen, dass illegal die Grenze überschreitende Kinder von ihren Eltern getrennt werden (innerhalb der letzten 6 Wochen waren es 2000 Kinder), um abschreckend auf Migranten zu wirken, zutiefst verachten und das auch zeigen. Genauso muss man m.E. Politiker, die in Deutschland fordern an der Grenze auf Kinder zu schießen, verachten.


Aber wahrscheinlich reicht es nicht, nur seine Verachtung zu zeigen. Man muss auch diejenigen, die andere Werte (meist stillschweigend) in ihrem Handeln realisieren, ehren. Da sind die Tausende von freiwilligen Helfern, die dafür gesorgt haben, dass die Million Menschen, die 2015 nach Deutschland gekommen sind, relativ gut versorgt wurden und zu einem guten Teil inzwischen wichtige Integrationsschritte gemacht haben, für mich im Moment an erster Stelle zu nennen...


Aber aus meiner Verachtung für die meisten AfD-Politiker, Pegida, Herrn Söder und viele der Menschen, die laut rufen "Wir sind das Volk" und Asylantenheime anzünden, empfinde ich nicht nur Verachtung, ich teile sie auch mit (hier hoffentlich auch deutlich genug). Es geht nicht darum jemanden zu hassen (das wäre eine ganz andere Emotion und Kommunikation), auch nicht um Gewaltanwendung oder auch nur Eingrenzung der Redefreiheit, sondern allein um das deutliche Zeigen meiner emotionalen Reaktion auf Verhaltensweisen, die ich nicht nur für unehrenhaft und unanständig halte, sondern auch als gefährlich für unsere Gesellschaftsordnung erachte...


Also: Zeigt mehr Verachtung... ! Stilles Verachten reicht nicht. Es muss auch in die Kommunikation kommen, um eine soziale Wirkung zu entfalten.


p.s.: Um Mißverständnissen vorzubeugen: In den Wissenschaften muss man m.E. in Bezug auf seinen Gegenstand moralfrei arbeiten, d.h. da kann man durchaus untersuchen , ob das Erschießen der Kinder dazu führt, dass weniger Eltern den illegalen Grenzübertritt wagen.  Allerdings muss man sich an die "Moral" des Wissenschaftssystems halten, d.h. Plagiate sind unehrenhaft, Fälschung von Daten ebenfalls usw.


Und in der Politik darf/muss man parteilich sein. Das sind zwei Kontexte, die zu trennen sind...