Wittgensteinsche Elite

Heute nochmals kurz ein Schwenker nach Österreich. Da ich also wie gesagt die letzten Tage in Österreich verweilt habe, bin ich auch zum österreichischen Zeitungslesen gekommen. Hierbei stolpere ich über einen Bericht, dass nun in Maria Gugging bei Wien eine Eliteuniversität errichtet werden soll, mit dem wunderbaren Titel "Wittgenstein Institute of Technology-WIT". Ich möchte mich jetzt gar nicht darin verhacken, dass in Gugging bis vor kurzem die, so glaube ich, größte Psychiatrische Anstalt Österreichs beheimatet war - jetzt liegt es natürlich auf der Zunge althergebracht zu sagen: zwischen Genie und Wahnsinn ist ja nicht viel um.


Was ich aber doch bemerkenswert finde, ist diese Elite-Universtität nach Ludwig Wittgenstein zu benennen, der ja bekanntlich äußerst elitär war, aber vermutlich immer was gegen Eliten hatte.


(Wittgenstein hatte ja sein unermeßliches Vermögen (aus seiner familären Stahlindustrie) gleich einmal verschenkt, ging nach Cambridge um die Philospophie zum ersten Mal zu revolutionieren (ein kurzer Brief mit der darin enthaltenen Widerlegung der Typentheorie brachte Bertrand Russel ja kurzzeitig fast in den Wahnsinn). Danach ab in die tiefe Österreichische Provinz, um als Volksschullehrer hinterwäldlerischen Bauernkindern Lesen und Schreiben mit äußerst alternativen Methoden beizubringen. Gab in dieser Zeit das erste österreichische Wörterbuch für Volksschüler heraus. Dort mit Mistgabel nach Wien verjagt, revolutionierte er kurzerhand auch noch die Architektur und baute ein achitektionisch einmaliges Haus für seine Schwester (ließ, wenn ein Heizkörper bereits montiert war, die Wand umreißen, damit sie mittelzentriert zum Heizkörper passte), um dann nach gut 20 Jahren nach Cambridge zurückzukehren und die Philosophie ein zweites Mal nachhaltig zu revolutionieren (Impulssetzung zur analytischen Philosophie). Hierbei hätte er fast Karl Popper mit dem berühmten Schürhacken in einem noblen, elitären Wissenschaftlerclubabend berechtigterweise erschlagen.)


Vielleicht zeigt sich auch hierin unsere Schwierigkeit, ist ja auch bei uns in Deutschland meines Errachtens nach so, im Umgang mit dem Begriff Elite. "Elite" gesagt, kommt sofort ein Unbehagen, keiner mag was damit anfangen, es wird sofort geglaubt, jetzt müsse man sich political correctness-mäßig äußern und vielleicht wird auch noch die dritte Reich-Keule geschwungen. Daweil tun wir und ja sonst mit unseren Elite-Promis auch nicht so schwer. Die Klatschpresse boomt, wir wissen alle sofort, wer mit wem und warum und warum wer mit wem nicht und warum et ceterea. D.h. die zum Teil leidenschaftliche Integrierung unser "High Society" geht zu meist auch recht einfach von der Hand und da ist auch allen klar, dass "die" abgehoben, reich und elitär eine Elite bilden. Sie sollen sich halt bitte nur hin und wieder von der Bild nackt fotographieren lassen, aber ansonsten sind sie recht akzeptiert. Da gibt es keinerlei marxistische Umsturzphantasien.


Aber in der wissenschaftlichen Forschung tun wir uns da schon viel schwerer, elitär zu sein. Komisch eigentlich? Vielleicht ist der Name "Wittgenstein" für so ein Eliteprojekt ja dann doch gar nicht so schlecht. Da Wittgenstein immer Eliten gehaßt hatte, aber äußerst extravagant und elitär immer war und last but not least eine Exzellenz in seiner Wissenschaft war.


In diesem Sinne, der letzte (siebente) Hauptsatz des Tractus logico-philosophicus: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen."


Herzlichst

Nino Tomaschek