Börsencrash in China? oder: der Chinese und das Geld

Seit einigen Wochen ist es zu einem radikalen Verfall der Börsenkurse in China gekommen. Stellenweise kam es zu 50% Verlust sein Anfang des Jahres. Experten befürchten einen Crash, der die Börsen anderer Länder infizieren könnte. Auch wenn heute die Indizes um ca. 7 % gestiegen sind und man bei Spiegel Online schon davon spricht, die chinesische Regierung habe alles wieder im Griff, so bleibt die Frage nach der Beziehung der Chinesen zu Geld im Raum stehen.


Bei meinen beruflichen und privaten Reisen nach China begegnete mir das Thema in vielfältigen Facetten.


Chinesen scheinen Geld zu lieben. Je mehr desto besser. Oftmals lassen sie sich vor, man höre und staune, Bergen von Geldbündeln fotografieren und posten dies in ihren sozialen Netzwerken. Eine Umfrage hat jüngst gezeigt, dass sehr viel Geldverdienen das wichtigste Ziel junger Menschen ist, das es zu erreichen gilt. Eine Anlage an der Börse wird dann mit Weihnachten verwechselt. Weil Weihnachten ist, wird es auf jeden Fall große Geschenke geben, in diesem Fall gestiegene Börsenkurse. Kinder sind davon überzeugt, dass die Eltern schon dafür sorgen würden. Eine Börse ist aber kein Weihnachten.


Chinesen scheinen ganz sorglos, wie Kinder es tun, an die wunderbare und fantastische Vermehrung von Geld zu glauben. Wenn ein Börsenkurs steigt, dann wird er auch morgen steigen, ebenso übermorgen. Steigt er, ist ein möglicher Absturz überhaupt nicht denkbar. Versucht man Chinesen die Eigendynamik von Börsen nahe zu bringen, die von Zyklen sowie die von psychologischer Kriegsführung, wie sie oftmals an Börsen vorherrscht, zucken sie nur mit den Schultern und lachen einem ins Gesicht. Tief in ihrem Innern scheinen sie einem Allmachtsglauben zu erliegen. Wenn man nur stark daran glaubt, steigt der Kurs. Eine Börse ist aber kein Märchen. Ein Märchen, in dem es in der Regel doch einen guten Ausgang gibt.


Chinesen verwechseln oftmals Geld mit Beziehung. So berichtete mir ein Chinese, dass seine Freundin abends die Geldbeträge addiert, die tagsüber ausgegeben wurden. Sie strahlt dann voller Glück, wenn viele Beträge zu addieren waren. Scheint sie sich doch mehr geliebt zu fühlen, wie mir ihr Freund berichtete, wenn es mehr Beträge zu addieren gilt. Liebe ist aber kein Geschäft. Eine Börse ist keine Liebesbeziehung.


In manchen Gesprächen wurde mir von Chinesen bestätigt, dass sich China, was die Erfahrung mit (dem gefühlten) Geld betrifft, in einer Zeit befindet, in der wir vor etwa 120 Jahren gelebt haben. Das wirft zwei Aspekte auf: einerseits hat die staatliche Regulierung der Börsen die Funktion von Eltern. Denn diese werden es schon richten. Volkswirtschaftlich gesehen hat die Regierung eben (noch)eine deutliche Versorgungsfunktion.


Andererseits wage ich mir nicht vorzustellen, was passiert, wenn die staatliche Regulierung nicht mehr greift und die (metaphorisch gesehen pubertierenden und doch erwachsenen) Chinesen sich nicht mehr staatlich "einfangen" lassen. Und sich im noch verstärkten Spiel an der Börse ausprobieren.